Erst "Baby Doc" Duvalier, und jetzt auch noch Aristide? Kaum eine Woche nach dem ersten Jahrestag des verheerenden Erdbebens in Haiti und in Zeiten großer politischer Instabilität wird die bettelarme Karibiknation von den Gespenstern der Vergangenheit bedrängt. Diese drohen die Lage noch weiter zu komplizieren.
Keine 72 Stunden waren seit der überraschenden Rückkehr von Ex- Diktator Jean-Claude Duvalier vergangen, als der 2004 gestürzte Ex- Präsident Jean-Bertrand Aristide in einem offenen Brief versicherte, auch er sei bereit, jederzeit in sein Land zurückzukehren. Er rief die Regierungen von Südafrika und Haiti auf, sich miteinander in Verbindung zu setzen, damit seine Rückkehr "in den nächsten Tagen" über die Bühne gehen könne.
Sowohl Duvalier (59) als auch Aristide (57) bestreiten jedes politische Interesse. "Ich bin zurückgekommen, um den Haitianern zu helfen", hatte Duvalier gesagt, kaum dass er auf dem Flughafen von Port-au-Prince gelandet war. "Mein Vorhaben ist sehr einfach: Meinen haitianischen Brüdern und Schwestern als einfacher Bürger auf dem Gebiet der Erziehung zu dienen", sagte seinerseits Aristide, der unter der Diktatur der Duvaliers (1957-1986) aufgewachsen war und 1991 seine erste Amtszeit als Präsident angetreten hatte.
Den umstrittenen Ex-Präsidenten, der mit seiner Bewegung "Fanmi Lavalas" immer noch politisches Gewicht in Haiti hat, scheint die Behandlung Duvaliers nicht abgeschreckt zu haben. Jener war am Dienstag von der Justiz wegen Vorwürfen der Korruption und Selbstbereicherung mehrere Stunden lang verhört worden.
Aber niemandem in Haiti entgeht die "Opportunität" dieser beiden so dicht aufeinander folgenden Nachrichten. Dem jetzigen Präsidenten René Préval helfen sie, die Medienaufmerksamkeit von einem Problem abzulenken, an dem er sich schon die Finger verbrennt: die politische Unsicherheit nach den Wahlen vom 28. November. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs bleibt höchst umstritten, die für den 16. Januar angesetzte Stichwahl wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Haiti ist ein verzweifeltes Land. Das Erdbeben hat eine schreckliche Zahl von Menschenleben gefordert und darüber hinaus große Teile der Hauptstadt zerstört, einschließlich der Infrastruktur einer ohnehin schon schwindsüchtigen Regierung. Die Unfähigkeit der Regierung Préval, auf die Bedürfnisse der Haitianer angemessen zu antworten, hat bei vielen eine Haltung nach dem Motto "Jede frühere Zeit war besser" entstehen lassen. Deshalb schauen sie sehnsuchtsvoll auf die Vergangenheit, obwohl sowohl die Diktatur von Duvalier als auch die Regierungszeit Aristides von Menschenrechtsverletzungen und Gewalt geprägt waren.
Aristide machte eine kaum verhüllte Anspielung auf seine Anziehungskraft, als er versicherte, dass die "Entschlossenheit" des haitianischen Volkes, dass er zurückkommen solle, seit dem Erdbeben zugenommen habe. Unterdessen nährte einer der Sprecher Duvaliers, der frühere Botschafter Henry Robert Sterling, Zweifel an den Absichten des Ex-Diktators. Er ließ, wenngleich mit vielen Windungen, mögliche präsidiale Ambitionen "Baby Docs" offen.
Den Journalisten vor dem Luxushotel, in dem Duvalier seit Sonntag wohnt, antwortete Sterling auf die Frage, ob "Baby Doc" bereit sei zu kandidieren, dass dies wegen des bereits laufenden Wahlprozesses zwar eine sehr unwahrscheinliche Hypothese sei. "Aber wenn die Wahlen annulliert werden, ist alles möglich", fügte er hinzu.
Aber wenn irgendetwas in Haiti klar ist, dann genau dies: dass alles möglich ist. Fast zwei Monate nach den Präsidentenwahlen ist immer noch nicht klar, wer in die Stichwahl geht. Derweil steigen die Spannungen in der Bevölkerung, die weiß, dass die internationale Gemeinschaft beim Wiederaufbau des Landes nicht entscheidend einspringen wird, solange es keine neue Regierung gibt.
Aber während ein Großteil der Welt mit Schrecken sieht, wie die Gespenster der Vergangenheit nach Haiti zurückkehren, scheinen außer Préval auch einige andere politische Akteure Vorteil aus der neuen Lage ziehen zu wollen. Der nach den bisherigen umstrittenen Ergebnissen im ersten Wahlgang drittplatzierte Kandidat Michel Martelly erklärte am Mittwoch einem Radiosender seine Bereitschaft, mit Duvalier zusammenzuarbeiten. Er sagte sogar, dass er als Präsident gerne alle Ex-Präsidenten des Landes als Berater anheuern würde, "um von ihrer Erfahrung zu profitieren."