Jean Claude Juncker EU notfalls ohne Briten

Auf ihrem Gipfel in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union Wege aus der Verfassungskrise suchen. Der luxemburgischen Premier Jean Claude Juncker kann sich die EU auch ohne Großbritannien vorstellen.

Die Europäische Union könnte nach Aussagen des luxemburgischen Premierministers Jean Claude Juncker notfalls auch ohne Großbritannien bestehen. Juncker wies in einem Interview der "Welt" auf diese Möglichkeit für den Fall hin, dass die Briten die europäische Verfassung ablehnten. "Ich wünsche mir das aber nicht", sagte der Politiker kurz vor Beginn des Gipfeltreffens der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Auf Frankreich, das die Verfassung in einer Volksabstimmung bereits abgelehnt hat, könne die EU dagegen nicht verzichten. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen bei ihrem heute Abend in Brüssel beginnenden Gipfeltreffen erste Schritte aus der EU-Verfassungskrise unternehmen.

"Wenn Deutschland und Frankreich sich nicht in eine Richtung bewegen, wird das europäische Triebwerk so schwer gestört sein, dass der Karren nicht mehr zu ziehen sein wird", sagte der luxemburgische Premierminister. Auf dem Gipfel am Donnerstag und Freitag sollen erste Schritte aus der Zukunftskrise der EU unternommen werden. Er soll rund ein Jahr nach Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden Bilanz ziehen und Startschuss für eine neue Verfassungsdiskussion sein.

Im Juni 2007 genauer Fahrplan für die weitere Debatte

Juncker wies den beiden Ländern eine Bringschuld zu. Sie müssten einen Verfassungsvorschlag machen, mit denen die anderen Länder leben könnten. "Es kann nicht sein, dass die 16 Länder, die bereits ratifiziert haben, schlaflose Nächte verbringen und überlegen, was man tun könnte, damit Franzosen und Niederländer zustimmen", sagte er.

Der bis Freitag dauernde Gipfel soll gut ein Jahr nach dem Scheitern der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden Bilanz ziehen. Dabei soll die Phase des Nachdenkens verlängert werden. Erst nach den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich im kommenden Jahr soll dann unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft im Juni 2007 der genaue Fahrplan für die weitere Debatte beschlossen werden. Bereits für März lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 50. EU-Jubiläum zu einem informellen Treffen nach Berlin ein.

Die Verhandlungen mit der Türkei bleiben kritisch

Erst unter der französischen EU-Präsidentschaft 2008 wird es um die Kernfrage gehen: Ob die Verfassung mit ihren neuen Entscheidungswegen, einem EU-Außenminister und einer stärkeren gemeinsamen Innenpolitik noch eine Chance hat oder ob die EU lediglich mit kleineren Reformen versucht, ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Die Staats- und Regierungschefs wollen zudem die Aufnahmefähigkeit der Union für neue Mitglieder sprechen. Die Kommission will bis zum Herbst einen Bericht dazu vorbereiten. In Deutschland, Österreich und Frankreich sieht die Bevölkerung vor allem die Verhandlungen mit der Türkei kritisch.

Reuters
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