Chinas Staats- und Parteichef Jiang Zemin ist Präsident des größten Volkes der Erde, Oberkommandierender einer wachsenden Militärmacht und Vorsitzender der größten Kommunistischen Partei der Welt. An die Macht gekommen ist er durch Zufall, dennoch hat er sich als Dauerlösung etabliert. Als Kompromissfigur vereinigt er verschiedene Strömungen. Ein Machtmensch mit politischen Visionen ist er nicht.
Als politischer Erbe Deng Xiaopings verfolgt Jiang eine Politik der wirtschaftlichen, aber nicht der politischen Liberalisierung. Westliche Politikmodelle lehnt er ab. Ihn beherrscht die Angst vor Instabilität.
Kompromisskandidat Zemin
An die Macht kam er nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989: Als Parteichef Zhao Ziyang in dieser Zeit gestürzt wurde, suchte Deng Xiaoping einen Kompromisskandidaten und fand ihn in dem Technokraten Jiang, der damals Parteichef von Schanghai war. Mit dem wachsenden Gewicht Chinas in der Welt gewann der ehemalige Fabrikdirektor international an Statur. Gerne demonstriert er dabei seine Kenntnisse von Goethe und Shakespeare.
Jiang Zemin wurde am 17. August 1926 geboren und wuchs bei seinem Onkel, einem Märtyrer der Revolution, auf. Als junger Elektroingenieur arbeitete er 1955 in den Stalin-Automobilwerken in Moskau. Über Positionen in der chinesischen Staatsindustrie stieg er ins Ministerium für Elektroindustrie auf, das er von 1983 bis 1985 leitete. Dann wurde er Bürgermeister und 1988 Parteichef von Schanghai. Als die Demokratiebewegung 1989 die Metropole erfasste, gelang es anders als in Peking, durch Zurückhaltung die Lage unter Kontrolle zu halten. Jiang Zemin hat aber immer das brutale Vorgehen des Militärs als "entschiedene Maßnahmen" verteidigt, ohne die sich China heute nicht solcher Stabilität erfreuen würde.