Die Hisbollah hatte gestern drei israelische Bürger getötet und zwei Soldaten entführt. Der angemessene Preis dafür waren bis heute nachmittag 52 tote Libanesen, darunter zehn Kinder. Und der Preis kann noch steigen: Israels Heereschef Dan Halutz droht damit, "die Uhr im Libanon um 20 Jahre zurückzudrehen". Das heißt, zurück in die Zeit des Bürgerkriegs, in dem in Beiruts Straßen Scharfschützen auf Menschenjagd gingen und insgesamt 70.000 Libanesen starben.
Zur Person
Oliver Fischer ist freier Autor und hat im vergangenen Jahr in Beirut gelebt. In seinem Blog bei stern.de berichtete er über seine Erfahrungen und Eindrücke aus einem widersprüchlichen Land zwischen Minaretten und Starbucks.
Angemessen? Nein, solche Äußerungen sind maßlos, genauso maßlos wie die Gleichsetzung des Libanons mit der Hisbollah. Die Hisbollah vertritt nur einen Teil der libanesischen Schiiten, zu denen wiederum nur ein Drittel der Bevölkerung gehört. Zum Kampf gegen den militanten Hisbollah-Flügel hat Israel jedes Recht, und dieser Kampf wird seit Jahren geführt. Aber warum jetzt die Ausweitung auf das ganze Land? Selbst viele Libanesen haben von der Hisbollah schon lange genug und fordern ihre Entwaffnung.
Das Bestürzende an der israelischen Strategie ist, dass genau diese progressiven Kräfte jetzt geschwächt werden. Die Bombardierung des Flughafens heute morgen, die See- und Luftblockade machen das ganz symbolisch deutlich: die einzige Grenze, die jetzt noch offen ist, ist die nach Syrien. Erst im vergangenen Jahr hatte die Reformbewegung um Saad Hariri erreicht, dass sich das Land endlich von Syrien distanzieren konnte: Nach wochenlangen Demonstrationen verließen die syrischen Truppen das Land, eine jahrzehntelange Bevormundung endete.
Warum Israel die Lage so eskalieren lässt, ist unklar. Vielleicht muss Ministerpräsident Olmert beweisen, dass er genauso gut losschlagen kann wie sein Vorgänger, der ehemalige General Ariel Scharon. Scharon war es, der als Verteidigungsminister 1982 zum ersten Mal israelische Truppen in den Libanon marschieren ließ. Den ganzen Irrsinn des Nahost-Konflikts kann man daran ablesen, dass als Reaktion darauf genau die Gruppe entstand, die man heute wieder bekämpft: die Hisbollah.