Krieg in Gaza Viele Tote bei Israels Angriff auf Hamas-Militärchef

Rettungskräfte eilen zur Versorgung der Opfer nach einem Angriff im Gazastreifen
Rettungskräfte eilen nach einem Angriff bei Chan Junis im Gazastreifen zur Versorgung der Opfer
© Abed Rahim Khatib / DPA
Schon lange versucht Israel in Gaza, die Militärführer der Hamas gezielt zu töten. Ein schwerer Luftangriff am Samstag galt diesem Ziel. Netanjahu nahm dafür offenbar viele tote Palästinenser in Kauf.

Bei einem israelischen Luftangriff auf den Großraum von Chan Junis im Süden des Gazastreifens sind nach palästinensischen Angaben mindestens 90 Menschen getötet worden. Rund 300 weitere Personen seien bei der Attacke am Samstag verletzt worden, teilte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium mit.

Nach Angaben der israelischen Armee galt der Luftschlag vor allem dem Anführer des militärischen Arms der Hamas, Mohammed Deif. Ob der überhaupt bei dem Luftangriff getroffen oder gar getötet wurde, blieb zunächst ungewiss.

Netanjahu: Prüfen noch, ob Militärchef der Hamas getötet ist

Gegen Abend meldete sich ein ranghoher Hamas-Vertreter zu Wort. Er erklärte gegenüber dem Sender Al-Dschasira, Deif höre Netanjahus Stellungnahme dazu – und spotte darüber.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu räumte auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv selbst ein, es gebe "noch keine absolute Gewissheit". Israels Armee prüfte da noch, ob Deif bei dem Luftschlag ums Leben gekommen ist. Ein weiteres Ziel des Angriffes war offenbar Rafa Salama, der Kommandeur der Chan-Junis-Brigade. Er und Deif sind nach Einschätzung Israels "Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober" auf israelischem Boden gewesen.

Israels Armee: Keine Zelte im angegriffenen Gebiet

Die israelische Armee widersprach den Angaben der Gesundheitsbehörde Gazas, dass bei dem Angriff auch das Flüchtlingslager Al-Mawasi getroffen worden sei. Das Lager liegt in der humanitären Zone etwa in der Mitte zwischen den Städten Rafah und Chan Junis. "Der Angriff wurde in einem eingezäunten Gebiet durchgeführt, das von der Hamas kontrolliert wird und in dem sich nach unseren Informationen nur Hamas-Terroristen und keine Zivilisten aufhielten", hieß es von der Armee. "Es war ein präziser Angriff." 

Es werde vermutet, dass die meisten Opfer ebenfalls Terroristen gewesen seien. Das getroffene Objekt habe sich auf offenem Gelände, umgeben von Bäumen, mehreren Gebäuden und Baracken befunden. Auf dem Areal gab es demnach keine Zelte. Das israelische Militär erklärte, es sei auch sehr sicher, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs keine israelischen Geiseln in dem Objekt befunden hätten.

Dagegen hieß es von palästinensischer Seite, Israels Armee habe Zelte von Vertriebenen getroffen. Viele der bei dem Angriff verletzten Palästinenser schwebten in Lebensgefahr, hieß es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen. 

Die Angaben ließen sich allesamt zunächst nicht unabhängig verifizieren.

Krankenhaus kann nicht alle Verletzten aufnehmen

Ein Ziel Israels im Gaza-Krieg ist es, Deif sowie den Hamas-Führer im Küstengebiet, Jihia al-Sinwar, gefangenzunehmen oder zu töten. Sie gelten als die beiden wichtigsten Anführer der Organisation innerhalb des Gazastreifens. Im März hatte die Armee die Tötung des dritthöchsten Hamas-Führers im Gazastreifen, Marwan Issa, gemeldet.

Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa gab es am Morgen mehrere heftige Angriffe in der Gegend. Mitarbeiter im nahe gelegenen Nasser-Krankenhauses berichteten, dass es nicht mehr ausreichend Betten gebe, um die große Zahl der Verletzten nach den Angriffen aufzunehmen. In dem Krankenhaus zählten Journalisten der Nachrichtenagentur AP mehr als 40 Leichen. 

Palästinsenser inspizieren die Schäden nach einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen
Nach dem israelischen Luftangriff im Süden des Gazastreifens bei Chan Junis inspizieren Palästinsenser die Schäden im Al-Mawasi-Lager
© Abed Rahim Khatib / DPA

In sozialen Medien verbreiteten sich Aufnahmen, die einen riesigen Krater nach dem Luftschlag zeigen sollen. Zu sehen sind auch Menschen, die im Sand und Schutt graben, vermutlich um nach Überlebenden zu suchen. Die Echtheit des Videos konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.

Insider: Verhandlungen über Feuerpause unterbrochen

Derweil sind die Gespräche über eine Feuerpause im Gazastreifen nach Angaben aus Ägypten unterbrochen worden. Zwei Insider sagen der Nachrichtenagentur Reuters, die Gespräche würden ausgesetzt bis Israel Ernsthaftigkeit zeige. Zuvor hat der ägyptische Sender Al Qahera News TV unter Berufung auf einen Insider berichtet, Ägypten werfe Israel vor, die Gespräche zu verschleppen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas weist der Hamas eine Mitverantwortung für den Gaza-Krieg zu und demonstriert damit wachsende Differenzen aufseiten der Palästinenser. Die Hamas entziehe sich der nationalen Einheit und liefere Israel als Besatzungsmacht Vorwände, heißt es in einer von Abbas' Büro im Westjordanland veröffentlichten Erklärung. Damit sei die Hamas mitverantwortlich für die Fortsetzung des Kriegs. Abbas verurteilt zudem den israelischen Luftangriff auf Chan Junis, für den auch die USA als Unterstützer Israels verantwortlich seien.



Hinweis: Dieser Beitrag wurde mehrfach aktualisiert.

DPA · Reuters · AP
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