Steve Schmidt ist einer dieser Republikaner, die in ihrer Parteikarriere schon alles gesehen und für jeden gearbeitet haben. Allein deswegen ist sein jüngster Wutausbruch auf MSNBC bemerkenswert: Donald Trump sei der "schlechteste Präsident, den wir je hatten. Er ist, ich muss es so sagen, ein Idiot. Er hat versprochen, das Land wieder groß zu machen, aber alles, was er bringt, ist Tod, Leid und ein Wirtschaftszusammenbruch monumentalen Ausmaßes", schimpfte er. Nun ist der frühere Wahlkampfmanager Schmidt ein erklärter "Never-Trumper", er hat sogar ein inner-republikanisches Projekt gegründet, um den eigenen Präsidenten abzuwählen. Bislang aber war ein solcher parteiinterner Widerstand selten – doch mittlerweile wird er lauter.
Republikanische Politik in Reinkultur
Über das unterwürfige Verhalten vieler Konservativer zum US-Präsidenten ist schon viel geschrieben worden. Mal ist die Rede von einer feindlichen Übernahme der Republikaner durch Trump, mal davon, dass er für viele Parteigänger vor allen als nützlicher Idiot gilt. Sicher ist: Seit 50 Jahren hat es keinen Präsidenten mehr aus den eigenen Reihen gegeben, der republikanische Wirtschaftspolitik in Reinkultur betreibt wie der Amtsinhaber. Steuersenkungen, Deregulierung für ganze Branchen, zahllose konservative Richterernennungen lassen viele Republikaner über Trumps Eskapaden hinwegsehen. 84 Prozent der Basis gefällt aktuell die Politik des Präsidenten.
Die Stimmung unter den konservativen Abgeordneten und Parteioberen dagegen wird deutlich widerborstiger. Selbst Lindsey Graham, der unerschrocken auch Trumps hanebüchenste Stunts verteidigt, wagte indirekt Kritik am Präsidenten. Anlass war die Entschuldigung des obersten Generals des Landes, Mark Milley. Der hatte sich in Uniform zusammen mit Donald Trump vor einer Kirche in Washington ablichten lassen – ein umstrittener Auftritt, weil zuvor friedliche Demonstranten von dem Platz verscheucht worden waren. Milley sagte, es täte ihm leid, der Fototermin sei ein Fehler gewesen. Graham wiederum unterstützte daraufhin den Top-Militär – Trump dürfte es aufmerksam registriert haben.
Republikanerin sagt offen ihre Meinung
Über seine im November anstehende Wiederwahl in den Senat muss Graham nicht besonders fürchten, anders als andere Republikaner, die sich mit dem Mann im Weißen Haus angelegt haben. Denn Trumps Rache bedeutet nicht selten das politische Aus – der Präsident nutzt oft seinen Einfluss, um Kritiker zu disziplinieren. So drohte er jüngst Lisa Murkowski, eine moderate Senatorin aus Alaska, offen damit, jeden zu unterstützen, der bei der Wahl gegen sie antrete. "Ganz egal, ob gut oder schlecht", wie er twitterte. Murkowskis Vergehen: Sie hatte Trumps früheren Verteidigungsminister Jim Mattis Recht gegeben, der dem Präsidenten vorgeworfen hatte, Zwietracht zu sähen. Die Senatorin sprach davon, es sei an der Zeit seine Meinung zu sagen. Vielleicht spürt sie, dass bei den Republikanern etwas ins Rutschen gerät.
Die aktuellen Umfragen jedenfalls tragen nicht zur Beruhigung bei. Beim Präsidentschaftsduell Donald Trump gegen Joe Biden liegt der demokratische Herausforderer zwischen zehn bis zwölf Prozentpunkte vor dem Amtsinhaber. Besonders bitter sind dabei die Zahlen aus eher konservativen Bundesstaaten wie Texas, Iowa und Georgia, in denen Donald Trump 2016 gewonnen hat. Dort liegt er mittlerweile mit Biden auf Augenhöhe. Nicht viel besser die Daten für den Kongress: Stand jetzt deutet vieles daraufhin, dass die Demokraten in beiden Parlamentskammern die Mehrheit gewinnen. Viele konservative Abgeordnete könnten ab November ohne Mandat dastehen.
Die Parteivertreter müssen zudem Entscheidungen rechtfertigen oder mittragen, die im Weißen Haus getroffen werden und nicht immer als geschickte Pläne gelten. Wie zum Beispiel der angekündigte Abzug von 10.000 Soldaten aus Deutschland. Diese Entscheidung ist von Donald Trump in erster Linie als "Strafmaßnahme" gegen die deutsche Regierung gedacht, trifft aber vor allem das eigene Militär. Denn die Basen in Deutschland dienen den Amerikanern als Drehkreuz für ihre Einsätze wie etwa im Irak. Deshalb regt sich nun Widerstand gegen den Plan bei den Republikanern im Repräsentantenhaus. "Der Abzug von US-Soldaten könnte die Nationale Sicherheit der USA gefährden, könnte den russischen Präsidenten Wladimir Putin stärken", heißt es von einer Gruppe von sechs Abgeordneten.
Vor allem Militär kritisiert Donald Trump
Dass die lauter werdende Kritik an der Amtsführung auffällig oft aus Reihen des Militärs kommt, wird Präsident Trump besonders übel aufstoßen. Nicht nur, weil er Veteranen und deren Familien als natürliche Verbündete sieht, sondern auch, weil sie aus berufenden Mund Zweifel an seiner Fähigkeit sät, das Land als Oberbefehlshaber zu führen. Exakt diese Stoßrichtung hat übrigens auch das nun erschienene Buch seines früheren Sicherheitsberaters John Bolton. Wagen die Republikaner wenige Monate vor der Wahl nun doch den Aufstand gegen ihren Präsidenten oder zumindest ein Aufständchen?
Quellen: CNN, DPA, "New York Times", AFP, FiveThirtyEight, Welt, "LA Times", Lincoln Project; MSNBC