László Csatáry Paris fordert Prozess gegen mutmaßlichen Nazi-Verbrecher

Die französische Regierung hat die ungarischen Behörden aufgefordert, dem in Budapest aufgespürten mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher László Csatáry den Prozess zu machen.

Die französische Regierung hat die ungarischen Behörden aufgefordert, dem in Budapest aufgespürten mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher László Csatáry den Prozess zu machen. "Die Nazi-Verbrechen verjähren nicht", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Paris. Der 97-jährige Csatáry soll für die Deportation von 15.700 Juden in das NS-Konzentrationslager Auschwitz mitverantwortlich sein.

Csatáry lebt seit 17 Jahren unter seiner echten Identität in Budapest, obwohl der ungarischen Justiz bereits vor mehr als zehn Monaten Informationen über seine Vergangenheit vom Simon-Wiesenthal-Zentrum übermittelt worden waren. Der Sprecher des französischen Außenministeriums, Bernard Valero, hob nun hervor: "Wir sind der Ansicht, dass Nazi-Verbrecher, wo immer sie sich auch befinden, für ihre Taten vor Gericht einstehen müssen." Es sei Sache der ungarischen Behörden, angemessen mit diesem Fall umzugehen.

Der französische Nazi-Jäger Serge Klarsfeld äußerte Zweifel, dass Csatáry zur Rechenschaft gezogen wird. "Ich bin nicht sicher, dass es juristische Folgen haben wird mit dieser konservativen Regierung" unter Ministerpräsident Viktor Orban in Ungarn, sagte Klarsfeld der Nachrichtenagentur AFP in Paris.

Kritik an Ministerpräsident Orban wächst seit Monaten

Der ungarische Vize-Staatsanwalt Jenö Varga konnte zu dem Fall zunächst keine Einzelheiten mitteilen. Er sagte lediglich, eine Untersuchung sei im Gange, die Staatsanwaltschaft werte die eingegangenen Informationen aus.

Der ungarische Ministerpräsident Orban war in den vergangenen Monaten wegen der sich häufenden antisemitischen Vorfälle in dem Land scharf kritisiert worden, auch weil zahlreichen Vertrauten von ihm deshalb Nachgiebigkeit vorgeworfen wurde. Der Friedensnobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel hatte deshalb Mitte Juni eine ungarische Auszeichnung zurückgegeben.

Klarsfeld relativierte die Bedeutung Csatárys, der als der meistgesuchte noch lebende Nazi-Kriegsverbrecher galt. Er habe noch nie von dem Mann gehört, sagte der Vorsitzende der Vereinigung der Söhne und Töchter der deportierten Juden aus Frankreich. Er verwies darauf, dass nur noch wenige Nazi-Verbrecher "heute auf der Flucht" und "alle über 90 Jahre alt" seien. "Vor 30 Jahren wäre er die Nummer 3500 auf der Liste" der meistgesuchten Nazi-Verbrecher gewesen, sagte Klarsfeld.

Rolle bei Juden-Deportation "begrenzt"

Csatáry wurde von Reportern der britischen Boulevard-Zeitung "The Sun" in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der ungarischen Hauptstadt Budapest aufgespürt. Die Journalisten hatten sich auf Informationen des Simon-Wiesenthal-Zentrums gestützt.

Csatáry war dem Zentrum zufolge nach Kanada geflüchtet, nachdem er 1948 in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war. Er soll als Polizeichef im Ghetto von Kosice (deutsch: Kaschau) besonders grausam gewesen sein.

In Kanada lebte er als Kunsthändler, bevor er von den dortigen Behörden enttarnt wurde und sich nach Ungarn absetzte. Vor seiner Flucht gestand er kanadischen Ermittlern, an der Deportation von Juden beteiligt gewesen zu sein, doch sei seine Rolle "begrenzt" gewesen.

In Deutschland wird nach Erkenntnissen der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg nicht gegen Csatáry ermittelt. Der Fall weise offenkundig keine Bezüge zur Bundesrepublik auf, sagte eine Sprecherin.

AFP
jat/AFP