Last Call Dicke Lippe: Katie Hopkins, Britanniens bestgehasste Frau

Last Call: Dicke Lippe: Katie Hopkins, Britanniens bestgehasste Frau

In Großbritannien laufen relativ wenige entsetzliche Fernsehformate. Das ist im Vergleich zu Deutschland ein großer Vorteil und liegt vermutlich daran, dass es relativ wenig entsetzliche Fernsehnasen gibt. Das heißt aber nicht, dass es überhaupt keine entsetzlichen Fernsehnasen gibt. Die vielleicht schlimmste heißt Katie Hopkins, 39, und macht gerade wieder Schlagzeilen, weil sie sich für eine so genannte Dokumentation 20 Kilo anfraß, zwischenzeitlich heulte vor lauter Kummerfraß, danach wieder abspeckte und daraus ein inhaltlich dürres TV-Paket schnürte, dass Anfang Januar als „My fat story“ in einem Spartensender lief. Hopkins attackiert darin so ziemlich alle Übergewichtigen des Landes und wirft ihnen vor, jeder oder jede Dicke müsse gar nicht dick, sondern könne schlank oder wenigstens schlanker sein. Dicke müssten nur in den Spiegel gucken, um zu realisieren, dass sie a) dick sind und dass das b) ihre Schuld ist. Sie würde Übergewichtige auch nie einstellen.

Hopkins greift mal flott ein Viertel der britischen Bevölkerung an. Denn nach der neuesten OECD-Erhebung gelten 24,7 Prozent der Leute hier als übergewichtig. Die Briten sind nach den Ungarn, 28,5 Prozent, die zweitdicksten Europäer. Die dünnsten Europäer sind im Übrigen die Rumänen, nicht mal 8 Prozent Dicke.

Wahrscheinlich würde sich Hopkins in Rumänien wohler fühlen unter lauter Dünnen. Andererseits wäre sie dort arbeitslos, weil sie nicht mehr meckern könnte über Dicke. Und natürlich kriegt Hopkins auch ihr Fett weg. Nicht nur von Übergewichtigen, die natürlich auf den Zinnen sind. Der australische Komödiant Adam Hills nennt sie eine „professionelle Scheiße-Rührerin“ und erstaunlicherweise auch „Schwanz des Jahres“, ein Etikett, das er an sich für den pädophilen und dafür verknackten Showstar Rolf Harris reserviert hatte, aus aktuellem Anlass aber doch Frau Hopkins verlieh. Man muss nämlich wissen, dass die seit Jahren nicht nur gegen alle Rundlichen ätzt. Sie trägt den Beinamen rent-a-gob, Großmaul, riskiert permanent eine dicke Lippe und redet permanent dummes Zeug. Das unterscheidet sie erheblich von Jeremy Clarkson, dem Moderator von „Top Gear“, der auch beleidigt und provoziert, aber auf hohem Niveau. Sie mag keine Rothaarigen, sie mag auch keine Kinder, die dämliche Vornamen wie Brooklyn oder London haben, nennt ihre Tochter aber selbst India; das sei was anders. Sie sagt Dinge wie „Selbstmordgefährdete Gefängnisinsassen sollen sich ruhig umbringen“ oder „Aus der Marketing-Perspektive bewundere ich die Effizienz von Ebola“. Als eine schottische Krankenschwester Ende Dezember am effizienten Ebola-Virus erkrankte, twitterte sie „…Uns Ebola-Bomben in Form von verschwitzten Glasgowerinnen zu schicken, ist nicht fair…“

Last Call: Dicke Lippe: Katie Hopkins, Britanniens bestgehasste Frau

Hopkins war Kolumnistin der „Sun“, Teilnehmerin der Sendungen „The Apprentice“ und „Dschungelcamp“ und ist nach Einschätzung des britischen Unternehmers Lord Alan Sugar derart öffentlichkeitsgeil, dass sie sogar daran teilnehmen würde, wenn irgendwo ein Briefumschlag aufgemacht wird. Sie schlägt erst Schaum, surft dann auf der Welle der öffentlichen Entrüstung und ist offenbar ganz glücklich mit ihrer Rolle als neuerdings meistgehasste Frau Großbritanniens, weil ja Maggie Thatcher nicht mehr ist. Jetzt ist Katie, und Katie sagt, „gehasst zu werden ist das Kreuz, das ich trage“, sie sei wie ein „Jesus des deutlichen Wortes“.

Hinter ihren Ausfällen steckt natürlich Kalkül. Denn auch ihre Hopkins-Kur und die Dicken-Suada passte bestens in die Zeit nach Weihnachten, weil im Januar ungefähr jede Zeitung und Zeitschrift der Welt die ultimative Diät anbietet und zwar jedes Jahr. Die beste und verlässlichste steht selbstverständlich wie jedes Jahr im stern. Dummerweise gibt es keine englische Ausgabe davon, und also können die Briten auch nicht abnehmen.

Übergewicht ist eine Erfindung der alten Kolonie Amerika

Nun ist Übergewicht längst eine globale Geschichte ungefähr wie Klimawandel und ganz gewiss keine urbritische Erfindung, sondern eher eine aus der alten Kolonie Amerika, Mutterland des Fast Food. In den USA besuchte ich einmal das schöne Städtchen Durham in North Carolina, das in Übersee den Titel „Hauptstadt der Dicken“ trägt, und so heißt, weil Tausende von beleibten Amerikanern dort hin wallfahren und in diversen Abmagerungskliniken im Speckgürtel der Stadt 400 Tonnen Gewicht verlieren, was etwa einem voll besetzten Jumbo-Jet entspricht. Dort erzählten mir übergewichtige Menschen von ihrem Leben, das sie „Jo-Jo“ nannten und damit auf den ewigen Kreislauf von abnehmen, zunehmen und abnehmen rekurrierten. Sie kamen immer wieder zurück nach Durham.

Diesen Jo-Jo-Kreislauf übernehmen inzwischen Print und Fernsehsender. Zur Perfektion im Jo-Jo hat es hierzulande die Zeitung „Daily Mail“ gebracht, die nicht nur nach Weihnachten über Fett und Diäten schreibt, sondern jeden Tag. Mal wird Fett total überbewertet und ist ganz toll und sogar gesund. Mal ist Fett neben EU und Immigranten die größte Seuche Britanniens und kostet die Volkswirtschaft mindestens zehn Milliarden Pfund pro Jahr. Mal so und mal so. Jo-Jo.

Im Gegensatz zur „Daily Mail“ ist Katie Hopkins in ihrer Abneigung gegen Fett sehr konsequent und kein bisschen Jo-Jo. Sie ist, wenn man so will, ein menschliches Fettnäpfchen und liebt folgerichtig auch Fettnäpfchen-Fernsehen. Kaum war ihre sogenannte Dokumentation gelaufen und sie wieder dünner, zog sie als B-Prominente ins englische „Big Brother“-Haus. Dort verteidigte sie erst einmal ihre Dicken-Schelte und eröffnete der Nation sodann: Dass ihr ein Stück Gehirn fehlt.

Was im Nachhinein so einiges erklärt.

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