First Lady for President Warum Amerika bettelt: "Bitte Michelle, tu es!"

Erst Carpool-Karaoke, dann große Reden für Hillary Clinton. Michelle Obama ist so populär wie keine First Lady vor ihr. Ihre Anhänger betteln, dass sie die nächste Präsidentin wird.

Am Anfang holperte es. Amerika musste sich zu Beginn an Michelle Obama gewöhnen – und umgekehrt. Aber dann wurde es Liebe.

Ihren ersten Ausrutscher leistete sie sich, da war ihr Mann noch gar nicht Präsident. Im Wahlkampf hatte sie gesagt, wenn Amerika einen Schwarzen wählt, wäre sie zum ersten Mal stolz auf ihr Land. So wenig Patriotismus war für Amerika zu viel.

Ihr Augenrollen über einen schlechten Witz eines weißen Republikaners fanden viele dann schon lustig. Und als sie ihren Mann mit Faust gegen Faust begrüßte, so wie es Gang-Mitglieder tun, galt die "First Bump" schnell als lässig und sie selbst auch.

Nach und nach wurde allen klar, Michelle LaVaughn Robinson Obama hatte entschieden, sich treu zu bleiben. In der Familie Obama fällt oft der Spruch: "Just do you." Sei echt, sei du selbst. Ihre Landsleute gewöhnten sich daran. Aus Skepsis wurde Bewunderung. Heute ist Michelle Obama der Liebling ihrer Nation. Und viele hoffen, sie könnte in vier Jahren als Präsidentschaftskandidatin antreten. Die sozialen Medien sind voll von Amerikanern, die betteln: "Bitte Michelle, tu es! Tritt an."

Populärste First Lady aller Zeiten

Aus heutiger Sicht hätte eine Kandidatur von Michelle Obama große Chancne. Seit fast acht Jahren leben die Obamas unterm Vergrößerungsglas. Andauernd messen Meinungsforscher die Beliebtheit des Präsidenten und seiner Frau. Er hatte gute Zeiten (67 Prozent Zustimmung) und schlechte Zeiten (38 Prozent). Für sie hingegen ging es, von kleinen Wacklern abgesehen, stetig aufwärts. Inzwischen ist sie die populärste First Lady aller Zeiten.

Beinahe 70 Prozent der Amerikaner finden Michelle Obama gut. Sie ist beliebter als es ihre Vorgängerinnen Nancy Reagan, Barbara Bush, Hillary Clinton oder Laura Bush jemals waren. Das Ansehen ihrer Vorgängerinnen schwankte mit den Erfolgen und Misserfolgen der Ehemänner. Michelle Obama hingegen entkoppelte sich von den Aufs und Abs ihres Mannes. Sie wird von der großen Mehrheit ihrer Landsleute als eigenständige Person wahrgenommen.

Eine moralische Instanz

Für die Weißen ist Michelle Obama ein Star, eine starke Frau, authentisch, gut aussehend. Sie trägt Mode von der Stange genauso wie Kleider von Jimmy Cho und anderen Designer. Für Schwarze bedeutet sie mehr: sie ist gutes Beispiel und moralische Instanz.

Auf dem Parteitag der Demokraten in Philadelphia trat sie in einem schlichten blauen Christian Sirano Kleid ans Pult und sprach über Rassismus und politischen Anstand und darüber, wie die Geschichte ihrer Familie mit der Geschichte ihres Landes verbunden ist. Über die Qualen der Sklaverei, über die Rassentrennung und den Widerstand dagegen. Sie redete ruhig, nicht zornig. Viele Zuhörer hatten Tränen in den Augen. Michelle Obama wirkt, weil sie persönlich wird. 

Michelle Obama wählt die Rolle der "First Mom"

Inzwischen tritt sie auch regelmäßig für Hillary Clinton auf. Und hält die Reden, die man sich eigentlich von der demokratischen Kandidatin Clinton erhofft. Michelle Obama schafft es wie Keine andere authentisch zu sein. Ihr glaubt man, was sie sagt. Die Leichtigkeit, diese Emotionalität. Ein unglaublich mächtiges Talent, das die First Lady da hat. Amerika liegt ihr zu Füßen. Zu einer ihrer letzten Reden in Arizona kamen an einem hellichten Arbeitstag 7000 Zuhörer. Alle klebten an ihren Lippen, als sie Donald Trump geschickt fertig machte - ohne seinen Namen auch nur einmal zu nennen. Zitate aus der Rede überfluteten danach das Internet. Brian Fallon, Pressesekratär von Hillary Clinton, meint voller Bewunderung: "Sie ist ein Rockstar."

Barack Obama sagte einmal: "Man kann sich nicht aufs Weiße Haus vorbereiten.“ Das gilt auch für das Amt der First Lady. Für Michelle Obama war es eine besonders große Umstellung. Denn sie hatte schon ihre eigene Karriere, war eine in Harvard und Princeton ausgebildete Anwältin, die pro Jahr fast doppelt so viel verdiente wie ihr Ehemann. 

Sie wählte bewusst die Rolle der "First Mom". Wie ihre Vorgängerinnen rief sie zwar auch zahlreiche Aktionen ins Leben. Esst besser, bewegt euch und bildet euch, so ihre Botschaft. Aber bei ihr ist das besonders wirkungsvoll, denn es sind nicht nur gute Worte, sie lebt es vor.

"Ich bin heute wer ich bin, weil ich auf dem College war"

So legte sie hinter dem Weißen Haus einen Gemüse- und Kräutergarten an. Mit Kindern aus allen Bundesstaaten erntet sie dort Salat, Karotten und was die Beete sonst noch hergeben. Sie gilt auch als Vorturnerin Amerikas. Verschwitzt und mit strähnigen Haaren lässt sie sich filmen, wie sie einen Sandsack schlägt und tritt. Auf YouTube werden ihre Videos hunderttausendfach geklickt. Sie zeigt: "Seht her, auch für mich ist es harte Arbeit fit und schlank zu bleiben."

Auch ihr neustes Projekt funktioniert so. Unter dem Titel "Reach higher" propagiert sie Schulbildung für alle. Aber nicht als Oberlehrerin. Wieder spricht sie über ihre eigene Geschichte: "Ich bin heute wer ich bin, weil ich auf dem College war."

Präsenz auf allen Kanälen

Michelle Obama wuchs mit ihrem Bruder in einer armen Familie in Chicago auf. Trotzdem schaffte sie es an die Eliteunis Princeton und Harvard. Dort erlebte sie offenen Rassismus. Die Eltern einer weißen Mitstudentin forderten, dass ihre Tochter nicht mit einer schwarzen Frau ein Zimmer teilen müsse. Michelle hielt durch, behauptete sich, härtete sich ab. Und fand das Motto ihres Lebens. So wie sie auf dem Parteitag in Philadelphia sagte: "Je tiefer die anderen sinken, desto mehr Größe zeigen wir." Sie demonstriert das auf allen Kanälen. Sie twittert, postet auf Facebook, Instagram und seit ein paar Monaten auch auf Snapchat. Bei ihr wirkt das weder bemüht noch gestellt.

In der Late Night Show von Jimmy Fallon tanzte sie den "Mom Dance" und plauderte darüber, dass ihre Tochter Malia den Führerschein macht. Und mit einem glucksenden Lachen warnte sie das ganze Land: "Achtung Alle, Malia ist auf der Straße." Oder sie sprach, darüber dass ihre Töchter lange nichts mit ihr und Barack zu tun haben wollten. "Wenn wir sie fragen, ob sie ein paar Freunde nach Hause einladen wollen sagen sie uns: Niemand will hier her kommen."

So viel Selbstironie und Spaß wagte keine andere First Lady vor ihr. Etwa wenn sie mit Sternenkriegern aus "Star Wars" zu Musik von R2D2 im Oval Office tanzt. Oder einer Teenagerin um den Hals fällt, als sie ihr sagte: "Du siehst gar nicht aus wie 51." Oder beim Carpool Karaoke mit dem Late Late Night Moderator James Gordon auf dem Platz vorm Weißen Haus im Kreis fährt und Lieder von Beyonce und Missy Elliot singt. Ein bisschen rappen, ein bisschen schwätzen, viel lachen, ihre Lebensfreude wirkt ansteckend.

Was kommt 2017?

Wer so gut ankommt, darf auch kritisieren. Wie gerade bei ihrer Rede auf dem Konvent in Philadelphia als sie sagte: "Ich wache jeden Morgen in einem Haus auf, das von Sklaven erbaut wurde." Oder als sie vor Collegeabsolventen in Chicago bemerkte: "Ich weiß, warum ihr Umwege auf dem Heimweg gehen müsst, ihr wollt den Gangs aus dem Weg gehen." Oder als sie in Santa Fe vor einem traditionellen College für amerikanischen Ureinwohnern sprach und sagte: "Diese Schule wurde als Teil des systematischen Versuches zur Ausrottung eurer Kultur gegründet." So etwas traute sich keine Präsidentenfrau vor ihr.

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So eindringlich warnt Michelle Obama vor Trump

Auch als First Mom leistet Michelle Obama ganze Arbeit. Der größte Skandal der heute 15-jährigen Sasha und der 18-jährigen Malia war, dass sie beim Thanksgiving Auftritt mit Truthahn gelangweilt auf die Witze ihres Vaters reagierten. Malia wird im kommenden Jahr nach Harvard gehen, wo ihre Mutter und ihr Vater studierten.

Ganz Washington spekuliert nun schon darüber, was Michelle Obama nach der Schlüsselübergabe an das neue Präsidentenpaar im Januar 2017 wohl machen wird. Nach ihrer jüngsten Reden und Auftritten für Hillary Clinton hieß es, sie werde in die Politik gehen. Vielleicht für den Senat kandidieren. Oder sich später sogar um die Präsidentschaft bewerben. Bisher sagte sie dazu: "Nein, niemals, ich werde es nicht tun."

"Siebeneinhalb Jahre sind genug"

Aus ihrem Umfeld heißt es, sie habe sich in den nun fast achten Jahren im Weißen Haus "gefangen gefühlt." Angeblich verachte sie Politik, vor allem wegen der vielen Intrigen und Mauschellein in Hinterzimmern. Ob das ihr letztes Wort ist?

Mindestens bis die jüngere Tochter Sasha die Schule fertig hat, werden die Obamas in Washington bleiben. Sie haben eine Villa für sechs Millionen Dollar gekauft. Gefragt, ob sie den Rund-um-die-Uhr-Service im Weißen Haus vermissen werde, sagt Michelle Obama: "Siebeneinhalb Jahre sind genug. Jetzt will ich Freiheit. Meinen Käsetoast um Mitternacht kann ich mir auch selber machen."

In der Fernsehserie "House of Cards" sagt Präsident Frank Underwood: "Wenn du erst einmal das Gefühl hattest, Präsident werden zu können, lässt es dich nicht mehr los." Ja, die Macht scheint verlockend zu sein. Vielleicht auch für Michelle Obama.