Als "gewaltigen Erfolg" zelebriert Donald Trump den Ausgang der Wahlen zu seiner Amtshalbzeit. Es ist - wie so viele Twitter-Botschaften des US-Präsidenten - eine gewaltige Übertreibung. Denn Trumps Macht ist durch die Wahl erheblich geschrumpft. Künftig wird er gegen eine Mehrheit der oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus regieren müssen. Und dennoch ist der Jubel des Präsidenten nicht völlig unberechtigt. Denn die ganz große Anti-Trump-Welle, auf welche die Demokraten gesetzt hatten, ist ausgeblieben.
So konnten Trumps Republikaner am Dienstag im Senat ihre Mehrheit verteidigen. Dazu trug auch der Sieg des erzkonservativen Senators Ted Cruz in Texas über den voreilig von den Demokraten zur neuen Lichtgestalt verklären Beto O'Rourke beitrug. Und auch bei den Gouverneurswahlen konnten die Republikaner einen Dammbruch verhindern.
Donald Trump legt eine Kehrtwende hin
Es ist also eine Wahl mit gemischtem Ergebnis - die gemischte Gefühle in beiden Lagern auslöst. Zu den Siegern des Abends gehört aber zweifellos Nancy Pelosi. Die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus könnte nun - wie schon vor einigen Jahren - wieder zur Vorsitzenden der Kammer und damit zur dritthöchsten Amtsträgerin im Staat aufsteigen, wenn sie die eigenen Reihen hinter sich schließt.
Ausgerechnet seiner größten Widersacherin gratuliert Trump über Twitter. In aller Fairness, Nancy Pelosi habe sich das Amt der Vorsitzenden verdient, lobt er.
Es ist eine der vielen abrupten Kehrtwendungen des Präsidenten. Im Wahlkampf hatte er Pelosi noch wüst beschimpft. Doch der Gratulationsanruf entspringt den neuen Realitäten. Er deutet darauf hin, dass sich Trump offenbar bereits auf die gewachsene Macht der Opposition einzustellen sucht.
Denn die Mehrheit im Repräsentantenhaus gibt den Demokraten viele Blockadeinstrumente gegen den Präsidenten in die Hand. Sie können Gesetzesvorlagen ausbremsen, Trump mit Untersuchungen zu den Russland-Kontakten seines früheren Wahlkampfteams oder etwa auch seinen Geschäfts- und Steuerpraktiken in die Enge treiben - und im dramatischsten Fall sogar ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.
Im Senat weht weiterhin ein rauer Ton
Diese Drohkulisse scheint Trump durchaus bewusst zu sein. Aber in dem Maße wie er Pelosi auf die Schulter klopft, teilt er gegen die anderen Abgeordneten aus. Auf Twitter tönt er: Sollten ihre Abgeordneten im Repräsentantenhaus Steuergelder auf Untersuchungen verschwenden, dann werde der Senat mit Mehrheit der Republikaner eben seinerseits Untersuchungen gegen die Demokraten einleiten. "Dieses Spiel können zwei spielen!"
Trump scheint nach den Midterm-Wahlen die Strategie zu verfolgen, dort für einen Ausgleich zu sorgen, wo sich das Kräfteverhältnis gegen ihn gewendet hat. Solange er aber die Mehrheit wie im Senat hinter sich weiß, kann er weiter dem politischen Gegner drohen.
