Während im Irak unter amerikanischer Besatzung statt Demokratisierung noch Chaos herrscht, haben andere arabische Staaten sichtbar auf die Zeichen der Zeit reagiert. Von Kairo bis Riad bemühen sich Regierungen eilfertig, ihren Willen zu demokratischen Reformen und ihren Respekt für die Menschenrechte unter Beweis zu stellen.
Um vor der eigenen Bevölkerung nicht als Lakaien Washingtons dazustehen, betonen sie zwar stets, dass dies nicht auf amerikanischen Druck hin geschehe. Aber westliche Beobachter in der Region sind überzeugt, dass sie damit vor allem verhindern wollen, eines Tages das gleiche Schicksal zu erleiden wie das entmachtete Regime von Saddam Hussein.
Syrien im Visier
Am stärksten steht dabei die syrische Regierung unter Druck, die von Washington in den vergangenen Wochen frontal angegangen und zur Schließung von Büros radikaler Palästinensergruppen gedrängt worden war. Sie bemüht sich nun intensiv um ein positiveres Image. So wurde beispielsweise kürzlich der militärische Drill für Grundschüler nach fast 30 Jahren abgeschafft, den es in ähnlicher Form auch im Irak gegeben hatte.
In Ägypten ließ Präsident Husni Mubarak in einer Kabinettssitzung ausführlich über zwei Gesetzesvorhaben zur Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte und zur Einrichtung eines Menschenrechts- Rats diskutieren, wie Kairoer Tageszeitungen berichteten. Gleichzeitig betonte die regierungsnahe Presse, die demokratischen Reformen Ägyptens seien keineswegs eine Reaktion auf Forderungen der US- Regierung. Im Falle Ägyptens, in dessen Gefängnissen eine offiziell nicht bekannte Zahl islamischer Fundamentalisten zum Teil seit Jahren ohne rechtsstaatliches Verfahren festgehalten wird, scheinen die Reformschritte zum Teil wirklich mehr als staatliche Propaganda zu sein. Immerhin lobte die ägyptische Menschenrechtsorganisation (EOHR) kürzlich die Verurteilung einiger Polizisten wegen Folter. Früher gingen Kollegen in derartigen Fällen straffrei aus.
Wachsender Druck auf die Golfstaaten
Selbst einige der Öl-Monarchien am Golf, die als strategische Partner der USA keinen militärischen Angriff befürchten müssen, arbeiten derzeit intensiv an einem Wandel. Sie fassen vor allem eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung am Entscheidungsprozess ins Auge. Denn seit die Amerikaner mit der Besetzung des Irak nach Saudi-Arabien ein zweites Standbein in der Öl-Region haben und somit weniger auf das Wohlwollen der islamisch-konservativen Scheichs angewiesen sind, wächst auch der Druck auf die Golfstaaten.
Im Kleinstaat Katar stimmten knapp 69 000 Wahlberechtigte Ende April der ersten ständigen Verfassung seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1971 zu. Damit ist der Weg frei für die ersten Parlamentswahlen Katars im Jahr 2004. Nach der neuen Verfassung werden immerhin 30 der 45 Parlamentssitze bei Wahlen bestimmt, bei denen Männer und Frauen kandidieren und wählen dürfen. Die restlichen 15 Abgeordneten sowie die Regierungsmitglieder werden vom Emir, Scheich Hamad bin Chalifa el Thani, ernannt.
Das größte Demokratie-Defizit am Golf hat eindeutig das Königreich Saudi-Arabien. Dort gibt es lediglich ein beratendes Gremium, dessen Mitglieder König Fahd ernennt. Menschenrechtsorganisationen stellen Saudi-Arabien Jahr für Jahr ein schlechtes Zeugnis aus, unter anderem wegen zahlreicher Todesurteile und Strafen wie Auspeitschen und Abhacken der Hand von Dieben. Während sich die Saudis Jahrzehnte lang unter Berufung auf die strengen Regeln der im Königreich geltenden wahabitischen Auslegung des Islam gegen jede Reform gesperrt hatten, zeigt diese Mauer langsam erste Risse.
"Historische Gelegenheit"?
Nur zwei Tage vor den Terroranschlägen am 12. Mai auf Ausländerwohnungen in Riad mit mindestens 34 Toten hatte US-Präsident George W. Bush die arabischen Führer aufgefordert, Reformen in Gang zu setzen sowie Korruption und Terrorismus zu bekämpfen. Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein habe dazu eine "historische Gelegenheit" geschaffen. Und nur kurz nach den Attentaten kündigte das Königshaus überraschend die Gründung einer staatlichen Menschenrechtsorganisation an. Auch Lehrinhalte, die von den USA mehrfach wegen radikal-islamischer, antiwestlicher Ausrichtung mehrfach kritisiert wurden, sollen überprüft werden.