Naoto Kan ist Japans neuer Premier DPJ-Parteigründer soll Reformprojekt retten

Während Deutschland noch einen neuen Bundespräsidenten sucht, hat Japan bereits seinen neuen Premier gefunden: den bisherigen Finanzminister und DPJ-Parteigründer Naoto Kan. Nun bleiben Japans neuem Mann an der Spitze noch fünf Wochen, um das Vertrauen seiner Bevölkerung zurück zu gewinnen: Am 11. Juli stehen Teilwahlen zum Oberhaus an.

Japans regierende Demokratische Partei DPJ versucht mit einem altbekannten Gesicht einen Neuanfang. Nach dem kläglichen Scheitern des bisherigen Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama hofft die Partei, mit der Wahl des 63-jährigen Parteigründers Naoto Kan zum neuen Partei- und Regierungschef ihr vor rund neun Monaten begonnenes Reformprojekt doch noch umsetzen zu können. Das ist sie den Wählern schuldig, die für sie die jahrezehntelang regierungserprobte Liberaldemokratische Partei LDP in der Hoffnung vor die Tür gesetzt hatten, die notwendigen Veränderungen im Staate herbeizuführen.

Seine erste Aufgabe als Premier sei, "das Land wiederaufzubauen" und das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, sagte Kan. Der bisherige Vize-Premier, der schon früher Chef der DPJ war, gilt als entscheidungsfreudiger und durchsetzungsfähiger als sein Vorgänger Hatoyama. So hatte er sich in seiner Zeit als Gesundheitsminister 1996 wegen eines Skandals in seinem Ministerium um HIV-verseuchte Blutprodukte mit den Bürokraten im eigenen Hause mächtig angelegt. Mehrere Fehler schadeten damals seiner Karriere.

Unter Hatoyama führte Kan, der ursprünglich aus der Bürgerrechtsbewegung kommt, zunächst als Strategieminister das neu gegründete Nationale Strategiebüro, das den Bürokraten die Kontrolle über die Etatgestaltung entziehen soll. Später wurde er Finanzminister. Als solcher hatte er Druck auf die japanische Notenbank ausgeübt, durch eine weitere Lockerung der geldpolitischen Zügel den andauernden Preisverfall im Lande stärker anzugehen.

Wirtschaftsexperten erwarten denn auch, dass Kan ein größeres Gewicht als sein Vorgänger auf eine Stärkung der Wirtschaft legt. Zugleich spricht er sich jedoch für eine Stärkung der Staatsfinanzen und sozialer Sicherungsnetze sowie des Arbeitsmarktes aus. Außenpolitisch erwarten Beobachter, dass Kan zwar das unter Hatoyama gestörte Verhältnis zu den USA in Folge des Streits um einen US-Stützpunkt auf Okinawa wieder zu verbessern versucht. Wie bei Hatoyama soll es aber auch unter ihm keine Rückkehr zur einstigen Ergebenheit Tokios gegenüber Washington wie zu Zeiten der LDP geben.

Gleichwohl betont auch Kan, dass die Beziehungen zu den USA der Eckpunkt von Japans Außenpolitik blieben. Deutsche Politiker hatten das unter der DPJ gestiegene Interesse Japans an einer verstärkten Zusammenarbeit begrüßt und erfreut festgestellt, dass Japan jetzt nicht mehr nur nach Amerika, sondern auch nach Europa blickt. Kan hat bereits deutlich gemacht, dass er in den meisten Punkten den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Kurs fortsetzen will. Dazu gehört unter anderem die Schaffung einer ostasiatischen Gemeinschaft nach dem Vorbild der Europäischen Union sowie die Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 um 25 Prozent gegenüber dem Stand von 1990.

Viele der Versprechen, die der bisherige Partei- und Regierungschef Hatoyama dem Volk gemacht hatte, blieben jedoch bislang unerfüllt. Die Macht der Beamten wurde nicht gebrochen, die Verschwendung von Steuergeldern nicht gestoppt und ein umstrittener US-Luftwaffenstützpunkt nicht von Okinawa entfernt. Um eine drohende Niederlage für seine Partei bei den am 11. Juli anstehenden Teilwahlen zum Oberhaus abzuwenden, trat Hatoyama kurzerhand zurück. Erste Umfragen japanischer Zeitungen zeigen bereits positive Wirkung.

Bis zur Wahl sind es nur noch fünf Wochen, der neue starke Mann Kan hat also keine Zeit zu verlieren. Wie stark er wirklich ist, wird sich unter anderem daran messen lassen, ob er den Einfluss des Schattenherrschers Ichiro Ozawa in der DPJ beenden kann. Ozawa steht im Ruf, kein sauberer Politiker zu sein. Schon in der einstigen Regierungspartei LDP hatte er Strippen gezogen und folgt alten Regeln. Wie Hatoyama ist Ozawa in Finanzskandale verwickelt - etwas, was eigentlich unter der Demokratischen Partei aufhören sollte.

Die Öffentlichkeit konnte keinen Unterschied zur Korruption aus den Zeiten der LDP erkennen. Vor allem Ozawas Finanzskandale werden für den rapiden Popularitätsschwund der DPJ verantwortlich gemacht. Seine letzten Tage im Amt nutzte Hatoyama denn auch dazu, Ozawa ebenfalls zum Rücktritt zu überreden. Naoto Kan genießt dagegen den Ruf, zumindest in Sachen Spendengeldern eine weiße Weste zu haben. Ob es ihm aber gelingt, die dem Wähler versprochenen Reformen anzugehen und die Wirtschaft zur Erholung zu führen, bleibt erstmal abzuwarten.

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Lars Nicolaysen, DPA