Neue Regierung in Polen Wie ein Journalist Außenminister wurde

So einen Außenminister hatten die Polen noch nie. Nach dem diplomatischen Krawallkurs der Kaczynski-Brüder soll nun Radoslaw "Radek" Sikorski Polen wieder auf den Europapfad bringen.

Sikorski genießt es, Journalisten seinen imposanten Gutshof im nordpolnischen Dorf Chobelin zu zeigen. Nachdem die Gäste am großen Schild "Kommunistenfreie Zone" vorbeigefahren sind und eine Rundreise mit einem alten Militär-Motorrad gemacht haben, lädt der Minister in den Salon - ausgestattet mit einem großen, offenen Kamin.

Seine Gattin Anne Applebaum serviert englischen Tee und entsprechenden Kuchen. Im Haus Sikorskis gilt nur eine Regel: kein Wort über Politik. Die geladenen Journalisten dürfen aber ausgiebig Radeks Welt bewundern.

"Lord Radek" studierte in Oxford

Sikorski hat es gelernt, wie ein Politiker gute PR für sich macht. Er war der Erste in Polen, der altbewährte angelsächsische Strategien nicht nur nachgeahmt hat, sondern dem sie ins Blut übergegangen sind. Schon sein Spitzname "Radek" ist bewusst gewählt - er soll an Polit-Größen wie "Tony" Blair oder "Bill" Clinton errinnern. Eigentlich hört der hochbegabte Schüler aus Bydgoszcz auf den Namen Radoslaw. 1981 gewann er einen English-Wettbewerb der polnischen Oberschulen. Der Preis: Er durfte für ein paar Monate dem hoffnungslosen kommunistischen Polen entfliehn und zwar nach Großbritannien.

Als der 18-jährige sein Englisch in Oxford verbesserte, wurde in Polen der Kriegszustand von General Wojciech Jaruzelski ausgerufen. "Ich bleibe im Westen" - hat Sikorski schnell entschieden. Als politischer Asylant bekam er sogar die englische Staatsbürgerschaft.

Die Chance, die ihm eine der besten britischen Universitäten geboten hat, hat er gut genutzt. Am Tag paukte er und am Abend besuchte er täre Burschenschaften wie den Bullington Club - dort traf er zum Beispiel den heutigen Tory-Leader David Cameron. Sikorski war frech und ließ sich von den snobistischen Komilitonen keineswegs beeindrucken. Schon bald hatte er auch deshalb den Spitznamen "Lord Radek" bekommen. Er wollte aber mehr. Schon kurz nach dem Ende seines Studiums war klar: der Journalismus sollte es sein und zwar in den gefährlichsten Gegenden der Welt.

Als Journalist in Krisenregionen unterwegs

Er bot sich bei den großen britischen Zeitungen als Kriegsberichterstatter in Afghanistan an. Das Ziel: Er wollte über den Kampf der Mudjahedin gegen die Rote Armee berichten.

"Manche Journalisten fliegen nach Pakistan, gehen in die Wüste und brüllen in die Kamera: Here is Dan Rather from Afganistan! Ich wollte was anderes", beschreibt Radek in seiner Autobiografie sein Leben als Journalist. Der Londoner "Daily Telegraph" gab ihm nicht nur eine Chance, sondern auch noch einen Vorschuss. Später haben auch der "Spectator" und der "Observer" seine Kriegsberichte gekauft.

Haben sie Waffen getragen? Ja, natürlich! Haben sie Menschen getötet? Es bleibt mein Geheimnis!, antwortete er einmal in einem Interview mit der polinischen Zeitung "Gazeta Wyborcza". Bis heute geniesst es Sikorski, seinen damaligen Ruf des Tough Guys zu pflegen.

Sein journalistisches Kennzeichen war und ist extremer Anti-Kommunismus - das hat sich auch in den britischen Medien immer sehr gut verkauft. Und es wurde letztlich sogar zur Eintrittskarte in die Politik.

Steile Karriere mit jungen Jahren

Als 1989 der Kommunismus in Polen zerbrach war er gerade einmal 27 Jahre alt und frisch mit dem World Press Photo Award 1988 ausgezeichnet. Seine antikommunistische Haltung und seine gute Kontakte im Westen imponierten dem national-konservativen Flügel der Solidarność. Sie wollten den jungen ehrgeizigen Radek mit ins Boot holten.

Bereits 1992 wurde er Stellvertreter des polnischen Verteidigungsministers. Auch dort sorgte er mit neuen ungewöhnlichen Ideen für Furore: Das Greenhorn wollte noch in Moskau ausgebildete Generäle zum Englisch- Unterricht zwingen und die polnische Armee so schnell wie möglich an die Nato angliedern.

Die beginnenden 90er Jahre waren für Sikorski eine goldene Zeit. Er war jung, berühmt und wichtig, und dazu noch im Privaten erfolgreich. Er heiratete die amerikanische Journalistin Anne Applebaum - in der Öffentlichkeit wurden die beiden als modernes intellektuelles Glamourpaar gefeiert. Für ihr jüngstes Buch wurde Applebaum mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet.

Die in Washington geborene Journalistin hat Radek viele Türen in den USA geöffnet und Kontakt zu Polit-Größen Zbigniew Brzezinski, Henry Kissinger oder Donald Rumsfeld hergestellt. Den Rest hat der ehrgeizige Sikorski selbst erledigt. Er habe zwar nicht US-Präsident Bush direkt anrufen können, aber seine engsten Berater schon, errinern sich Sikorskis Mitarbeiter.

Er ist Amerika nicht hörig

Mit solche Referenzen wurde Radek in Polen schon lange als künftiger Chefdiplomat gehandelt. Schon 2005 stand er kurz davor, aber die misstrauischen Kaczynski-Brüder wollten ihn nicht in einem so wichtigen Amt sehen. So wurde er lediglich zum Verteidigunsminister ernannt. Das hat er ihnen letztlich heimgezahlt - Anfang 2007 verließ er die Kaczynski-Partei PiS und ging zur konkurrierenden PO. Dort bekommt er nun, worauf er schon so lange wartet: das Außenministerium.

Beobachter behaupten, er sei der grösste Freund Amerikas unter den polnischen Politikern. Dabei stimmt dies überhaupt nicht: Den Ruhm Rumsfelds oder Cheneys hat er natürlich ausgenutzt, um seine eigene politische Position zu stärken. Letztlich ist Sikorski aber ein britischer Pragmatiker. Seine guten Kontakte zu den Amerikanern bedeuten zudem nicht, dass er dort als polnischer Minister auf Händen getragen wird.

Im Gegenteil: Er kann sogar einen Wechsel in der polnischen USA-Politik provozieren, weil er von der amerikanischen Supermacht keine Angst hat. Schon als Verteidigunsminister hat er die Irak-Frage immer pragmatisch und ohne Pathos betrachtet. Im Hintergrundgesprächen sollte er suggeriert haben, dass Polen einen Anteil an den irakischen Ölfeldern bekommen muss. Ansonsten: Goodbye USA! Sikorski hat schon mehrmals gezeigt, dass er nicht aus einer Ideologie heraus handelt, außer er posiert als harter Anti-Kommunist.

Auch deshalb passen er und sein Kurs gut zur neuen polnischen Regierung. In der Substanz wird sich die Außenpolitik nicht wesentlich von den der Kaczynskis unterscheiden, aber in der Art des Umgangs miteinander. Schon allein das wird reichen, um in Berlin, Paris und London mit Begeisterung empfangen zu werden.

Von Rafal Wos, Warschau