Ganz Europa spricht über Griechenland, seinen drohenden Bankrott, seine angebliche Verschwendungssucht und darüber, was das alles für den Euro bedeutet. Die EU hat das Land an die Kandarre genommen und schaut genau darauf, wie die Griechen ihren Staatshaushalt in Zukunft gestalten. Die Finanzmärkte bewerten griechische Staatsanleihen mit hohen Risikoaufschlägen - und allerorten wird über Rettungsmaßnahmen für Hellas debattiert. Da will die griechische Regierung jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und Finanzmärkten und dem Ausland signalisieren: Wir machen Ernst mit der Bekämpfung der hohen Verschuldung.
So hat das Kabinett von Ministerpräsident Giorgos Papandreou in Athen am Mittwoch neue Sparmaßnahmen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro beschlossen. Vor allem den privilegierten Staatsdienern geht es an den Geldsäckel. Im Öffentlichen Dienst wird das 13. Gehalt um 30 Prozent und das 14. Gehalt um 60 Prozent gekürzt. Rentenzahlungen sollen sowohl für Beamte als auch Angestellte im Privatsektor eingefroren werden. Zudem wird es eine Reihe von Steuererhöhungen geben: So sollen die Abgaben auf Alkohol, Tabak, Benzin und Luxusgüter erhöht werden. Die Mehrwertsteuer steigt um zwei Prozentpunkte auf stattliche 21 Prozent. Es handelt sich bereits um das dritte Sparprogramm, das die Regierung in Athen unter dem Druck der EU auflegt. Griechenland hat ein Staatsdefizit von 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und soll es binnen eines Jahres auf 8,7 Prozent senken - erlaubt sind in der EU nur drei Prozent. Deutschland und andere Länder erwarten von Griechenland, dass es seine Staatsfinanzen zunächst selbst in Ordnung bringt, ehe sie den Hellenen Geld geben.
Schäuble zollt Griechen Respekt
Für die neuen Sparmaßnahmen erhielten die Griechen viel Beifall aus dem Ausland. Die Beschlüsse des griechischen Kabinetts "gehen in die richtige Richtung und verdienen unseren Respekt", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Griechenland zeige damit "Verantwortung für Europa und die gemeinsame Währung". Als "starkes Signal" wertete EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso das neue Sparprogramm, und die Kanzlerin, die am Freitag Besuch von Papandreou erhält, bezeichnete es als "wichtigen Schritt".
Mit Geld aus Berlin darf der griechische Ministerpräsident auf die Schnelle dennoch nicht rechnen, das verdeutlichte Merkel am Mittwoch auch. "Es geht, das will ich ausdrücklich sagen, nicht um Hilfsmaßnahmen", sagte die Kanzlerin über das deutsch-griechische Gespräch am Freitag. So rechnet Hellas seinen Sparbemühungen zum Trotz nicht unbedingt mit EU-Hilfe. Papandreou erwäge ein Hilfsgesuch an den Internationalen Währungsfonds (IWF), heißt es in Athen. Der Regierungschef habe dem Kabinett mitgeteilt, dass dies eine Option für Griechenland sei, wenn die EU nicht zu einer Unterstützung bereit sei, sagte ein Insider, der an der Kabinettssitzung teilnahm, der Nachrichtenagentur Reuters.
Dabei gibt es in der EU durchaus Sympathisanten für eine finanzielle Unterstützung der klammen Griechen. Beispielsweise Günther Oettinger: Der neue EU-Energiekommissar signalisierte die Zahlungsbereitschaft Brüssels. "Nachgedacht wird über vieles", sagte er im Deutschlandfunk auf die Frage, ob in der Union an Hilfen für die Griechen gedacht werde. "Ich glaube, die Verantwortung liegt noch immer in Athen", ergänzte er aber. Die Regierung des Landes müsse erst einmal die Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen. "Dann kann man über einiges reden."
Brief an die "lieben Deutschen"
Geht es nach dem griechischen Parlamentspräsidenten Philippos Petsalnikos braucht Athen ohnehin nicht das Geld der Deutschen, sondern eher moralische Hilfe. "Wir Griechen erwarten nicht, dass die Deutschen uns "retten". Diese Aufgabe haben wir uns zunächst einmal selbst gestellt", schreibt Petsalnikos unter dem Titel "Liebe Deutsche!" in einem offenen Brief im stern."Nicht Euer Geld, sondern Eure Solidarität und Eure Unterstützung braucht Griechenland, um die Angriffe der internationalen Spekulanten abwehren zu können. Wenn Griechenland ihnen zum Opfer fällt, ist es ein erster Dominostein."
Der griechische Politiker, der einst in Deutschland studiert und gearbeitet hat, beklagt sich darüber, dass vor allem in deutschen Medien mit "Unsachlichkeiten und fatalen Vereinfachungen" über Griechenland berichtet werde, die auf den Nenner hinausliefen: "Wir Deutschen zahlen, und ihr Griechen kassiert". Petsalnikos wies darauf hin, dass die Griechen mit allen Europäern Deutschland bei der Bewältigung der deutschen Einheit geholfen hätten. Außerdem habe Deutschland enorm von der Schaffung des EU-Binnenmarktes profitiert.