An sich nehmen die Franzosen kleine Schwächen ihrer führenden Politiker nachsichtig und bisweilen sogar amüsiert hin. Uneheliche Kinder? Eine offensive Lust auf Wohlleben? Oder gar auf schöne Frauen? Traditionell herrscht in Frankreich eine verhältnismäßig große Toleranz. Auch Nicolas Sarkozy ist bislang in deren Genuss gekommen. Bislang. Denn spätestens seit der Staatspräsident mitsamt der frisch eroberten Carla Bruni in die Ferien nach Ägypten gejettet ist, macht sich in Frankreich eine Malaise breit. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich. Aber die Symptome sind allenthalben gleich: Die Franzosen bangen um die Würde des Präsidentenamtes.
Die Kritik zieht sich quer durch alle politischen Lager. Nicht bloß die Kommunisten und die Sozialistin Segolene Royal, Sarkozys einstige Rivalin im Präsidentschaftswahlkampf, nehmen das vermeintlich "prahlerische Benehmen" des Staatsoberhaupts oder seinen Urlaub in Gesellschaft von Milliardären oder Scheichs aufs Korn. Sogar die sonst eher zurückhaltende Tageszeitung "Le Monde" mahnte, Sarkozy müsse eine würdigere Haltung zeigen, um das Ansehen seines Amtes nicht zu gefährden. Besorgt gibt das Blatt die Reaktionen der Auslandspresse zum Besten, in denen Sarkozy als Parvenü und Macho betituliert wird. Aber damit nicht genug. Selbst Parteifreunde schrecken nicht davor zurück, Sarkozy als "unkultiviert" zu kritisieren.
Ein Mann wie jeder andere
Dabei hat selbiger nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ein Mann ist wie jeder andere: mit Sorgen in der Ehe, ungern gezeigtem Bauchspeck, einer traurigen Familiengeschichte und einem ausgeprägten Interesse für die Schönen und Reichen dieser Welt. Aber offenbar hat Sarkozy es mittlerweile übertrieben mit der plakativen Vorführung seiner allzu menschlichen Seite. Die Zeiten, in denen man genau das sympathisch fand, scheinen zu Ende zu sein. Eine hämische Bezeichnung geht durch die weihnachtlichen Familientreffen: Bling-Bling-Präsident wird Sarkozy genannt. Wie einer, der sich ein bisschen zu aufdringlich mit Goldkettchen, Sonnenbrille und hübscher Frau schmückt.
Dabei hat der Boulevard-Zirkus, den Sarkozy aufführt, offenbar durchaus eine politische Dimension. In Blogs wird fröhlich darüber spekuliert, welcher innenpolitischen Schlappe es wohl bedarf, damit Sarkozy seine Trennung von der Sängerin Carla Bruni bekannt geben wird, um mal wieder mit News aus seinem Privatleben von Misserfolgen abzulenken.
Kommerzielle Websites heizen mit Spekulationen über den nächsten Akt im Sarkozy-Drama das Leserinteresse an. Die Stichworte "Sarkozy - Bruni - Hochzeit" werden etwa eifrig als Köder genutzt, um Neugierige auf Websites für Hochzeitsartikel zu locken. Carla Bruni ist eigentlich eine Sympathieträgerin in Frankreich. Aber ihre Liaison mit dem Potentaten, symbolträchtig offenbart zwischen Micky Maus und den verrückten Untertassen in Disneyland, stößt auf keinerlei Respekt.
Bruni nur ein Statussymbol?
Ein Statussymbol wie seine Rolex-Uhren, die Yachten und Villen, in denen er urlaubt und die schicken Restaurants, in denen er feiert: Gemeinhin bezweifeln die Franzosen, dass Bruni es zu mehr bringen wird beim Präsidenten. Der Politologe Philippe Corcuff reiht sie ein in die Objekte, die Sarkozy "sich greift, besitzt und zeigt", weil ihm dies das Gefühl gebe, Macht zu haben.
Auffällig ist: Die jüngste Ägypten-Affäre zeigt, dass dem Präsidenten sein bisher souveränes Spiel mit seiner Medienpräsenz, sein geschicktes Manipulieren der öffentlichen Meinung nicht mehr gelingt. Vordergründig schadet ihm etwa die Tatsache, dass er sich den Trip wieder einmal spendieren ließ, wieder einmal von seinem Milliardärsfreund Vincent Bollore, wieder einmal so, dass die Frage erlaubt sein muss, welche Gegenleistungen der spendable Sponsor dafür eigentlich erwarten darf.
Sarkozy: "Franzosen haben mehr Schamgefühl und Eleganz"
Aber der Überdruss hat andere, tiefer liegende Gründe. Nicolas Sarkozy verliert im Lauf der endlosen Offenbarungen über Dinge, die sein Innerstes berühren müssten, schlicht an Authentizität. Und seine widersprüchlichen Aussagen zum Thema Öffentlichkeit dürften das Ganze auch nicht besser machen. Nach seiner Scheidung hatte er verlauten lassen, sein Privatleben werde ihm nie wieder einen Kommentar entlocken. Und, gewohnt hochgemut, versetzte er den vermeintlich geifernden Journalisten auch noch einen Hieb. Vielleicht hätten die Franzosen im Umgang mit privaten Dingen ja mehr Schamgefühl und einen Hauch Eleganz mehr, als es die Berichterstatter offenbarten, ließ er wissen. Offenbar haben die Franzosen sogar mehr Schamgefühl als ihr eigener Präsident.