Nicolas Sarkozy hatte den Wahlkampf dominiert, seit ihn die rechtsbürgerliche Regierungspartei UMP im Januar zum Kandidaten kürte. In der Stichwahl vor zwei Wochen erzielte der 52-Jährige mit 31,2 Prozent das beste Ergebnis eines konservativen Kandidaten seit knapp 40 Jahren. Vom bürgerlichen Lager wird Sarkozy als Hoffnungsträger für einen Neuanfang nach zwölf Jahren Jacques Chirac gefeiert. Ein Kunststück, denn in den letzten fünf Jahren war er die Nummer zwei einer unpopulären Regierung.
Vertreter einer nationalen Identität
Sarkozy überzeugt viele durch seine zupackende Art und seinen selbstbewussten Einsatz für die nationale Identität. Er hat auch das stimmigere Konzept im Vergleich zu seiner sozialistischen Gegnerin Ségolène Royal, um die französische Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Viele Franzosen halten den ehrgeizigen Politiker aber für einen gefährlichen Populisten. Am 1. Mai zogen zehntausende Menschen durch die Großstädte und heizten die Anti-Sarko-Stimmung an. "Sarkozy spaltet und manipuliert - Ségolène ist menschlicher", stand auf den Plakaten.
Für den gelernten Anwalt, der 1955 als Sohn eines ungarischen Aristokraten in Paris geboren wurde, waren markige Sprüche lange Kalkül. Er bezeichnete jugendliche Randalierer als "Gesindel". Wer Schafen in seiner Badewanne die Kehle durchschneide, der brauche nicht in Frankreich zu leben, sagte er, und ging selbst mit antideutschen Parolen auf Stimmenfang. Frankreich habe die 'Endlösung' nicht erfunden, sagte er gleich auf vier Wahlveranstaltungen.
Traum vom "bürgerlichen Frankeich"
Vor der Stichwahl hat er sich in Wahlkampfpoesie geübt, um das Bild des brutalen Machos zu korrigieren, das die Sozialistin Royal von ihm gezeichnet hat. Er wolle der Sprecher der Schwächsten und der schweigenden Mehrheit sein, sagte er jetzt, und warb für den Traum eines "brüderlichen Frankreichs". Um seine Seriosität zu unterstreichen legte er sich neuerdings beim Sprechen die Hand aufs Herz.
Glaubt man den Umfragen, dann trauen dem Exinnenminister die meisten Franzosen am ehesten zu, das Land aus der Erstarrung zu lösen. Den Kampf gegen Fatalismus und die Angst vor der Globalisierung hat Sarkozy zu seinem Schwerpunkt gemacht. Er will ihn vor allem durch die Aufwertung der Arbeit gewinnen. Der Mann, der selbst 18 Stunden am Tag arbeitet, will die 35-Stunden-Woche aushebeln und Überstunden von Abgaben befreien, damit "mehr verdient, wer mehr arbeitet".
Ende der 35-Stunden-Woche?
Zu Beginn des Wahlkampfes gab er sich freilich als weit beherzterer Reformer. Dann eilte er Royal hinterher, solidarisierte sich mit einfachen Arbeitern und versprach einen Kampf gegen Jobverlagerungen. Ist er nun Opportunist oder Pragmatiker? Eine offene Frage.
Zum zweiten Wahlkampfschwerpunkt hat Sarkozy das Eintreten für konservative Werte wie Nation und Autorität gemacht. Er will ein Ministerium für Einwanderung und nationale Identität einrichten. Und er fordert, dass sich Schüler beim Eintreten des Lehrers erheben, um ihren Respekt zu zeigen. Die 68er, meint Sarkozy, hätten Frankreich einen moralischen Relativismus auferlegt, der nicht mehr zwischen gut und böse, zwischen wahr und falsch unterscheide.
"Speedy Sarko"
Für den Vater von drei Kindern, der zum zweiten Mal verheiratet ist, wäre der Einzug in den Élysée-Palast die Erfüllung des Lebenstraums. Schon als jugendlicher glühender Neogaullist, erobert er bereits mit 28 Jahren das Bürgermeisteramt von Neuilly. 2002 übernimmt er den Innenministerposten und wird Nummer zwei der Regierung. "Ich denke an die Präsidentschaft, und zwar nicht nur beim Rasieren", sagt "Speedy Sarko" schon damals.
Als erster Polizist Frankreichs mit Null-Toleranz-Attitude baute er zum Ärger des scheidenden Präsidenten Jacques Chirac seine Popularität stetig aus. Er räumte alle potenziellen Widersacher aus dem Weg, nicht zuletzt Chirac selbst. Als sein größtes Risiko beim Marathonlauf in den Élysée-Palast galt zuletzt sein aufbrausendes Temperament. Doch einen öffentlichen Wutausbruch oder eine scharfe Attacke gegen Madame Royal lieferte er nicht mehr ab. Im einzigen TV-Duell des Wahlkampfes blieb er am Mittwochabend vor 20,1 Millionen ausgesprochen höflich.