Unter dem massiven Schutz von 500 Sicherheitskräften ist die olympische Fackel aus Paris kommend in San Francisco eingetroffen. Einen Vorgeschmack auf die zum Fackellauf erwarteten Proteste gab es schon am Montagabend (Ortszeit): Mit einer spektakulären Aktion auf der Golden-Gate-Brücke protestierten pro- tibetische Gruppen gegen Menschenrechtsverletzungen in China. Drei Mitglieder der Organisation "Studenten für ein freies Tibet" erklommen das Wahrzeichen der kalifornischen Küstenstadt und hängten zwischen den Stahlseilen ein Transparent mit der Aufschrift "Eine Welt, ein Traum, Freies Tibet" auf.
Die Ankunft des Feuers in den frühen Morgenstunden (Ortszeit) verlief ohne Zwischenfälle, aber zum Fackellauf durch die Stadt haben sich tausende Demonstranten angesagt. Ein Großaufgebot von Polizisten soll dafür sorgen, dass sich das Chaos von Paris und London nicht wiederholt. Für Dienstagabend (Ortszeit) war eine Mahnwache geplant, an der auch der Schauspieler Richard Gere teilnehmen wollte.
Fackel an geheimen Ort gebracht
Die Vorbereitungen auf den Fackellauf laufen in San Francisco unterdessen auf Hochtouren. Nach den massiven Protesten in London ging die Polizei bei der Ankunft kein Risiko ein: Nach dem Eintreffen in der Dunkelheit auf dem Flughafen wurde die Fackel durch eine Hintertür ins Freie getragen und dann zunächst an einen geheimen Ort gebracht. Erst am Mittwoch soll sie dann in der Öffentlichkeit auftauchen. 2000 Polizisten gibt es in der Stadt, nach Medienberichten erhielten alle für den Tag der Tage eine Urlaubssperre. Sicherheitskräfte werden auf der etwa zehn Kilometer langen Route durch die Stadt die Fackelläufer begleiten, um sie vor gewalttätigen Übergriffen wie in Paris und London zu schützen.
Der Bürgermeister der als besonders liberal geltenden Stadt, Gavin Newsom, sagte, dass alle nötigen Schritte unternommen würden, um gewalttätige Ausschreitungen am Tag des Fackellaufs zu verhindern. Zugleich betonte er jedoch das Recht der Bürger, ihre Kritik an der chinesischen Menschenrechtspolitik frei zum Ausdruck zu bringen.
"Sehr viele Möglichkeiten, Ärger zu machen"
"Vieles macht uns Sorge", räumte Polizeisprecher Neville Gittens ein. Entlang der Fackellauf-Route gebe es "sehr viele Möglichkeiten, um Ärger zu machen". Schon vor den Ausschreitungen in London und Paris hatte San Francisco Pläne für einen längeren Lauf durch die engeren, hügeligen Straßen der Stadt gestrichen. Die Flamme soll nun eine Hafenpromenade entlang getragen werden. Möglicherweise werde der Lauf noch verkürzt oder die Strecke verändert, sagte Newsom. Das könne kurzfristig geschehen, auch noch während der Veranstaltung.
Chinas Botschafter in den USA, Zhou Wenzhong, hatte sich im Rathaus von San Francisco 45 Minuten lang mit Newsom zusammengesetzt, um die Sicherheitsvorkehrungen zu besprechen. Der Vorsitzende des Olympischen Komitees der USA, Peter Ueberroth, rief inzwischen zu Gewaltlosigkeit auf. San Francisco müsse ein angemessenes Forum für den friedlichen Ausdruck von Meinungen und Meinungsverschiedenheiten bieten, hieß es in einer Erklärung. Newsom stimmte zu, aber es wurde zugleich deutlich, dass der Fackellauf für die Freiheit liebende Stadt, die einstige Heimat der Hippies und jetzige "Hochburg" der Homosexuellen, ein zwiespältiges Ereignis ist.
San Francisco ist die sechste Station der Fackel auf ihrer internationalen Reise nach Peking und die einzige auf nordamerikanischem Boden.