Portugals Ministerpräsident António Costa ist nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten. Wegen der Zweifel an seiner "Integrität" habe er Präsident Marcelo Rebelo de Sousa seinen Rücktritt angeboten, sagte Costa am Dienstag. Der konservative Staatschef nahm das Rücktrittsgesuch des sozialistischen Regierungschefs an. Korruptionsermittler hatten zuvor zwei Ministerien und Costas Amtssitz durchsucht. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem um den Verdacht der Korruption bei Lithium- und Wasserstoff-Projekten.
Durchsucht wurden am Dienstagmorgen neben Costas Amtssitz und den Ministerien für Umwelt und Infrastruktur auch mehrere Wohnungen und Anwaltskanzleien. Die portugiesische Justiz erließ Haftbefehle gegen Costas Stabschef, den Bürgermeister der Stadt Sines südlich der Hauptstadt Lissabon sowie zwei Firmenvertreter. Gegen Infrastrukturminister João Galamba und den Leiter der Umweltbehörde APA wurden formelle Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die Ermittlungen drehen sich um den Verdacht der Veruntreuung, Korruption und Bestechung, wie die portugiesische Staatsanwaltschaft erklärte. Die Ermittler interessieren sich demnach für die Vergabe von Lizenzen für eine Lithium-Mine im Norden Portugals, ein Projekt zur Produktion von sogenanntem grünem Wasserstoff und den Bau eines Rechenzentrums in Sines.
Portugal: größtes Lithium-Vorkommen Europas
Grüner Wasserstoff wird mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert. Lithium wird zur Herstellung von Batterien verwendet und ist daher für die Energiewende unerlässlich. Die Umweltbehörde APA hatte im Mai und September unter Auflagen grünes Licht für zwei Projekte zum Abbau von Lithium im Norden Portugals gegeben. Umweltschützer und Anwohner lehnen die riesigen Bergbau-Projekte ab. Der Lithium-Abbau gilt als extrem umweltgefährdend.
Portugal verfügt über die vermutlich größten Lithium-Vorkommen in Europa und ist bereits der größte europäische Lithium-Produzent. Bisher wird aber die gesamte Produktion für die Keramik- und Glasherstellung verwendet. Nun will die Regierung in Lissabon von der Energiewende profitieren. Bei einem Treffen mit Costa im April bezeichnete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Portugal als "Pionier" und verwies unter anderem auf den geplanten Bau einer Wasserstoffpipeline.
Costa büßte wegen "Tapgate" Beliebtheitswerte ein
Bei der Befragung von Verdächtigen sei den Korruptionsermittlern auch Costas Name genannt worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Costa wird demnach verdächtigt, sich persönlich in die Vorgänge eingeschaltet zu haben, um die Vergabe der Lizenzen zu beschleunigen. Der Verdacht gegen Costa wird laut Staatsanwaltschaft Gegenstand einer separaten Untersuchung sein.
Costa zeigte sich bei einer Pressekonferenz "überrascht" über die Einleitung der Ermittlungen. Das Amt des Regierungschefs sei mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen aber nicht vereinbar, sagte er. Deshalb habe er seinen Rücktritt eingereicht.
Präsident Rebelo de Sousa berief für Mittwoch Vertreter der im Parlament vertretenen Parteien und für Donnerstag den Staatsrat zu Beratungen ein. Die portugiesische Verfassung schreibt Treffen mit den Parteien und dem Beratungsgremium vor, bevor der Präsident das Parlament auflösen und vorgezogene Neuwahlen ausrufen kann. Rebelo de Sousa werde sich "unmittelbar" nach der Sitzung des Staatsrates an die Nation wenden, kündigte das Präsidialamt an.
Costa war seit Ende 2015 im Amt und wurde im Januar 2022 wiedergewählt. Mehrere Skandale hatten seiner Beliebtheit zuletzt aber erheblich geschadet, unter anderem bei der portugiesischen Fluggesellschaft TAP. Vor knapp einem Jahr war herausgekommen, dass eine TAP-Managerin vor ihrem Wechsel zur staatlichen Flugsicherung NAV eine Abfindung von 500.000 Euro bekommen hatte. Später wurde sie noch Staatssekretärin im Finanzministerium. "TAPgate" hat mittlerweile zum Rücktritt von mehr als einem Dutzend Ministern und Staatssekretären geführt.