In Chile deutet sich bei der Präsidentenwahl am Sonntag ein Rechtsruck an. Nach 20-jähriger Herrschaft von Mitte-Links-Regierungen scheinen die Bürger in Lateinamerikas stabilster Volkswirtschaft nun dem konservativen Milliardär Sebastian Pinera eine Chance geben zu wollen. Umfragen zufolge liegt der 60-Jährige vor seinem ärgsten Rivalen Eduardo Frei aus dem wegen interner Machtkämpfe zersplitterten Regierungslager.
Sollte wie erwartet am Wochenende keiner der insgesamt vier Kandidaten eine absolute Mehrheit erhalten, entscheidet eine Stichwahl am 17. Januar zwischen den beiden mit den meisten Stimmen. Experten rechnen mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen, Pinera werden aber auch hier die größten Chancen eingeräumt. Allerdings dürften die Linken bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl eine kleine Mehrheit in beiden Kongresskammern verteidigen. Pinera wäre damit auf eine Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen.
Pinera hat die Schaffung von einer Million neuer Arbeitsplätze versprochen. Zudem will er die Wirtschaftsleistung des Landes unter anderem über Steuervergünstigungen um sechs Prozent ankurbeln. "Wenn wir dieselben Dinge tun, die wir die vergangenen 20 Jahre getan haben, dann bekommen wir auch die dieselben Resultate", sagte Pinera zum Abschluss seines Wahlkampfes. "Gebt uns die Möglichkeit, die Dinge besser zu machen." Kritiker werfen dem Geschäftsmann vor, er wolle das Land wie ein geldgieriger Manager führen. Zudem seien wegen Pineras immensen Reichtums und seiner Beteiligungen an Unternehmen wie der Fluggesellschaft LAN Interessenskonflikte programmiert. Experten rechnen jedoch nicht einem grundlegenden Politikwechsel.
Der 67-jährige Frei hatte angekündigt, die Sozialprogramme der amtierenden Präsidentin Michelle Bachelet fortzuführen. Aus Sicht von Experten vergaß er dabei aber, sein eigenes Profil zu schärfen. Die populäre Politikerin darf sich nicht erneut um das höchste Amt bewerben. Die Nummer Drei in den Umfragen, der unabhängige Kandidat Marco Enriquez-Ominami, gilt als der große Unbekannte. Viele Wähler vor allem aus dem linken Lager, die mit der Politik der traditionellen Parteien unzufrieden sind, stellen sich hinter den 36-jährigen ehemaligen Film-Produzenten. Enriquez-Ominami zwang den etablierten Parteien im konservativen Chile Themen wie Schwulen-Hochzeit und Abtreibung auf. Seine Rivalen nennt er "Dinosaurier, die die Demokratie gekidnapped haben."