Präsidentschaftswahl in Frankreich Wer tritt gegen "Sankt Ségolène" an?

  • von Tilman Müller
Ihr Sieg war mit 60 Prozent Zustimmung mehr als deutlich - und tritt die Sozialistin Ségolène Royal bei den französischen Präsidentschaftswahlen an. Fragt sich nur, gegen wen?

Kurz vor Mitternacht wurde es etwas lauter auf den Straßen und in den Bistros von Paris. Doch die gehobene Stimmung hatte wenig mit der sozialistischen Partei und dem Triumph ihrer Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal zu tun, eher schon mit dem neuen Beaujolais 2006, der gestern erstmals und wie immer reichlich ausgeschenkt wurde.

Im Hauptquartier der Sozialisten an der Rue de Solferino kam gestern Abend kaum Spannung auf. Schon bald nach 23 Uhr wird der wenig überraschende, doch mit mehr als 60 Prozent der Stimmen sehr deutliche Vorsprung der Spitzenkandidatin verkündet - Funk und Fernsehen sprechen von einem "K.o.-Sieg" der Spitzenkandidatin. Wendige Wortführer der geschlagenen "Elefanten" Dominique Strauss-Kahn und Laurent Fabius dagegen reden nun plötzlich vom "neuen Elan der Partei".

Jack Lang froh über seinen rechtzeitigen Ausstieg

Im dunklen Blazer und mit amüsiertem Blick flitzt der einstige Kulturminister Jack Lang durch die Korridore, vorbei an alten Fotos seines einstigen Chefs François Mitterrand, spricht eilig von einem "historischen Sieg" und ist dabei sichtlich froh über seinen rechtzeitigen Ausstieg aus dem Rennen, bei dem er ohnehin keine Chance gehabt hätte.

Jack Lang und all die anderen älteren Herren aus früheren Regierungen treten jetzt die Flucht nach vorne an und preisen die strahlende Gewinnerin des Abends, über die sie noch vor wenigen Stunden hinter vorgehaltener Hand hergezogen, mit dem Spruch etwa, Politik sei doch kein Schönheitswettbewerb. Doch nun reden die Verlierer darüber, dass es nach der klaren Entscheidung nicht zu einer Stichwahl zwischen Royal und Strauss-Kahn kommt - eine Kraftprobe, die für die Oppositionspartei ähnlich hätte spalten können wie im vergangenen Jahr das Referendum über die europäische Verfassung.

Die große Gewinnerin feiert in der Nacht fernab der Hauptstadt in der Provinz von Poitou-Charentes, wo ihr Aufstieg zum landesweit bekannten Politstar vor gut zwei Jahren bei Regionalwahlen begann. Vor ihren Anhängern spricht die 53-Jährige vom "Glück des Augenblicks" und mahnt zur Geschlossenheit: "Wir werden diesen Berg gemeinsam besteigen". In der Tat hat die Politikerin, die aus einer problembeladenen Familie stammt und nun die erste Staatschefin Frankreichs werden kann, in ihrem Leben bereits viel erreicht. Doch ob sie wirklich im Frühjahr kommenden Jahres in den Elysée-Palast einziehen wird, ist jedoch fraglich. Zwar wird sie im Moment von einer Woge der Sympathie getragen; die Mächtigen des Landes, die Pariser "Bullokratie", von der der unterlegene Strauss-Kahn so gerne redet, steht eher auf der Seite der Konservativen.

Wer wird gegen den Medienliebling in Stellung gebracht?

Nun kommt es darauf an, wie die Konservativen auf die neue sozialistische Herausforderung regieren, wen sie gegen Ségolène Royal, den Liebling der Medien in Stellung bringen. Die größten Chancen hat nach wie vor Innenminister Nicolas Sarkozy, der sich "Frankreichs ersten Polizisten" nennt und schon seit Jahren tönt, er träume "nicht nur morgens beim Rasieren" vom höchsten Amt der Republik.

Doch in den letzten Tagen und Wochen regte sich unter den Regierenden viel Unmut gegen den allzu forschen Hardliner. Sogar über eine neue Kandidatur von Präsident Jacques Chirac wird derzeit wieder spekuliert. Erst nach einem Konvent der momentan eher Uneinigkeit ausstrahlenden UMP-Partei im Januar wird klar sein, wer gegen "Sankt Ségolène" (Paris Match) antreten wird. Bis dahin hat die Herausforderin einige Zeit, um neue Strategiekonzepte zu entwickeln.