PRESSESCHAU 23.03.: Das Ende einer Epoche

Die Zeitungen der europäischen Nachbarn kommentieren den kontrollierten Absturz der Weltraumstation MIR und den Spionage-Skandal zwischen den USA und Russland.

»Liberation«: Weltall-Odyssee bleibt Menschheitstraum

Die linksliberale französische Tageszeitung »Liberation« (Paris) stellt sich am Freitag anlässlich des kontrollierten Mir-Absturzes gegen Kritiker der Raumfahrt: »Diese Kritiker, die auf die astronomischen Summen für die Raumfahrt hinweisen, vergessen schlichtweg, dass der Absturz der Mir weltweit nicht nur deshalb dermaßen viel Interesse geweckt hat, weil es die Befürchtung gab, der Himmel könne uns auf den Kopf fallen. Die russische Mir-Station war auch 15 Jahre lang ein Haus in den Sternen und ein Teil unserer Träume. Und Träume sind für den Menschen genauso wichtig wie vernunftgemäßes Kalkül. Im Jahr 2001 bleibt die Odyssee im All ein Menschheitstraum, der sich zu regen begonnen hat.«

»Mlada fronta Dnes«: Ende einer großen Epoche

Die liberale tschechische Tageszeitung »Mlada fronta Dnes« (Prag) schreibt am Freitag zum kontrollierten Absturz der Mir: »Mit der Mir endet eine große Epoche der bemannten Raumfahrt: der Betrieb einer kosmischen Station durch nur einen Staat. Zum Bau der ISS, die drei Mal schwerer wird als die Mir, haben sich unter amerikanischer Führung zahlreiche westliche Staaten plus Russland zusammengefunden. Nur noch China erlaubt sich heute aus Prestige-Gründen, eine solche Station allein zu betreiben. Die Reise zum Mars wird die Menschheit unter internationaler Flagge antreten.«

»Iswestija«: Westen mag die KGB-Spione nicht

Zu dem Spionage-Skandal zwischen den USA und Russland schreibt die Moskauer Tageszeitung »Iswestija« am Freitag: »Nicht nur die Bush-Republikaner empfinden eine Abneigung gegen die Putin-Umgebung, die aus dem ?KGB stammt?. Der Westen insgesamt spricht immer deutlicher seine Nichtakzeptanz der russischen Elite aus. Im geschäftlichen Leben spiegelt sich dass in Veröffentlichungen, Skandalen und sogar Gerichtsprozessen zum Thema der russischen Mafia und Korruption wider; in der Politik (geschieht das) im Kampf gegen die russischen Spione in der ganzen Welt von Bulgarien bis in die USA. In diesem Geiste zu antworten, kommt dem Versuch gleich, sich daran zu messen, wer am schnellsten den Colt aus dem Halfter zieht.«

»La Repubblica«: Wie in alten Zeiten

Zu den Spannungen im Zuge der Ausweisung von Diplomaten zwischen Russland und den USA schreibt die römische Zeitung »La Repubblica« am Freitag: »Noch niemals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind die amerikanisch-russischen Beziehungen auf ein derartig tiefes Niveau gesunken. Der Mangel eines direkten Dialogs zwischen Bush und Putin ist ein Grund, warum Spannungen und Konflikte vorherrschen: auf dem Gebiet der Raketenabwehr, über Waffenlieferungen an Iran, beim Thema Tschetschenien und, seit einigen Tagen, sogar über Georgien. Der Kalte Krieg der Spione ist nichts weiter als eine Zeichen der vergifteten Beziehungen, die nunmehr zwischen Moskau und Washington vorherrschen. Denn die Vereinigten Staaten und Russland hatten zu keinem Zeitpunkt wirklich aufgehört, sich gegenseitig auszuspionieren, auch nicht, als Bill Clinton im Weißen Haus war und auf dem Kremlthron der Zar Boris Jelzin saß.«