Reformvertrag EU wird massiv geschwächt

Die Europäische Union hat es erneut nicht geschafft, die Bürger von den Vorteilen der Europas zu überzeugen. Das voraussichtliche Nein der irischen Bevölkerung zum Reformvertrag stürzt die Gemeinschaft in eine tiefe Krise.

Das wahrscheinliche "Nein" der Iren zum EU-Reformvertrag ist für die Europäische Union ein schwerer Rückschlag, denn mit der Einigung auf den Vertrag hatte die Gemeinschaft der 27 Staaten erst im vergangenen Jahr die lähmende Krise nach dem Nein der Wähler in Frankreich und den Niederlanden zur Verfassung 2005 beendet. Sollte das endgültige Wahlergebnis "Nein" sein, hätte dies nach Einschätzung von EU-Diplomaten ernste Folgen.

Der EU-Vertrag könnte nicht wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten, denn er muss die Zustimmung aller EU-Länder finden. Die EU müsste auf der Grundlage des Vertrages von Nizza, der mit seinen komplizierten Abstimmungsregeln als untauglich für eine Gemeinschaft von 27 Staaten gilt, weiterwursteln. Die neue Führungsstruktur mit einem dauerhaften EU-Ratspräsidenten und einem stärkeren Repräsentanten für die Außenpolitik könnte vorerst nicht eingeführt werden.

Neue Nabelschau beginnt

Großbritannien, Deutschland und Frankreich werden voraussichtlich die Devise ausgeben, dass die Ratifizierung in den noch ausstehenden acht Ländern weitergehen soll. Entsprechende Signale gibt es auch aus skeptischen Ländern wie der Tschechischen Republik und Schweden. Irland würde damit unter Druck stehen, den Ausweg aus der Krise zu finden.

Vor sieben Jahren, als der Vertrag von Nizza bei dem Referendum in Irland durchfiel, fand sich eine Lösung: Nach einigen Zusagen und Ausnahmeregelungen wurde der Vertrag den Wählern 2002 erneut vorgelegt und bekam grünes Licht. Doch dieses Mal ist unklar, mit welchen Änderungen die Iren besänftigt werden können. Denn wesentliche Kritikpunkte wie die mangelnde Absicherung der militärischen Neutralität wurden in der Vergangenheit längst geklärt.

Die Iren hätten mit ihrem Nein der EU erneut vor Augen geführt, dass sie ihre Bürger von den Vorteilen Europas nicht überzeugen kann. Nach fast zehn Jahren, in der die Union intensiv mit sich selbst und der Reform ihrer Institutionen beschäftigt war, droht eine weitere Phase der Nabelschau. Und das in einer Zeit, wo es weltweite Probleme anzupacken gilt wie den Klimawandel, die Finanzkrise oder die Energieknappheit. Auch gegenüber Mächten wie Russland oder dem Iran wäre die EU ohne eine schlagkräftigere Außenvertretung geschwächt.

Reuters
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