"First Minister" Regierung in Schottland: Das sind die möglichen Nachfolger von Nicola Sturgeon

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon war am 15. Februar überraschend zurückgetreten
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Wer folgt in Schottland auf die Regierungschefin Nicola Sturgeon, und was bedeutet das für die mögliche Unabhängigkeit? Ein Überblick über die aussichtsreichsten Kandidatinnen und Kandidaten.

In Schottland klärt sich an diesem Montag die Nachfolge der scheidenden Regierungschefin Nicola Sturgeon. Aussichtsreichste Kandidaten sind Finanzministerin Kate Forbes (32) und Gesundheitsminister Humza Yousaf (37). Die dritte Bewerberin, Ash Regan (49), ein ehemaliges Kabinettsmitglied, gilt als Außenseiterin. Die gut 72.000 Mitglieder der regierenden Schottischen Nationalpartei (SNP) können noch bis 13 Uhr deutscher Zeit ihre Stimme abgeben. Danach soll die Entscheidung bekannt gegeben werden.

Sturgeon hatte am 15. Februar überraschend ihren Rückzug als "First Minister" sowie Parteivorsitzende der SNP angekündigt. Die 52-Jährige war die erste Frau im höchsten Regierungsamt des nördlichsten britischen Landesteils und gilt als treibende Kraft einer Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. In Schottland leben etwa 5,5 Millionen Menschen – ein Zehntel der Einwohnerzahl Englands.

Alle drei Kandidaten sind für eine mögliche, schottische Unabhängigkeit

Die Bewerberin Kate Forbes ist eine konservative Christin, die der Freikirche "Free Church of Scotland" angehört. Forbes lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab und kritisierte mehrfach vor der Presse Schwangerschaften außerhalb der Ehe, sagte aber auch im Interview mit "Sky News", in einer freien Gesellschaft könne man tun, was man möchte. Als Kind lebte sie zeitweise in Indien, studierte später in Cambridge und Edinburgh und arbeitete kurzzeitig als Wirtschaftsprüferin für Barclays in London. Mit 26 Jahren assistierte sie im Finanzministerium und übernahm 2018 als erste Frau das Amt der Ministerin.

Die drei möglichen Nachfolger von Nicola Sturgeon
Gesundheitsminister Humza Yousaf (links), Finanzministerin Kate Forbes (mitte), und die ehemalige Ministerin für Gemeinschaftssicherheit Ash Regan sind die aussichtsreichsten Kandidierenden
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Mit dem amtierenden Gesundheitsminister Humza Yousaf steht ein Muslim und das erste nicht-weiße Kabinettsmitglied in Schottland zur Wahl. Er ist seit 2012 Teil der Regierung, erst als Justiz-, dann als Transportminister. Yousaf steht am ehesten für Kontinuität, hat öffentlich die größte Unterstützung der Abgeordneten und wird auch von der noch amtierenden Nicola Sturgeon präferiert. Seine Erfolgsbilanz als Minister wird von seinen Kritikern jedoch als nicht gut genug bezeichnet. Die vernichtendste Kritik kam bei einer TV-Debatte von seiner Konkurrentin Kate Forbes: "Sie waren Verkehrsminister und die Züge waren nie pünktlich. Als Sie Justizminister waren, war die Polizei überlastet, und jetzt als Gesundheitsminister haben wir rekordverdächtige Wartezeiten."

Nicola Sturgeon unterstützt Gesundheitsminister Yousaf

Ash Regan liegt den Umfragen zufolge hinter Forbes und Yousaf. Sie beschwor im Wahlkampf die Einheit der Partei und gilt als parteiinterne Kritikerin von Nicola Sturgeon. Die aktuelle Zusammenarbeit der SNP mit der Grünen Partei dürfte mit Regan schwieriger werden, diese unterstützt im Gegensatz zu den Grünen die Öl- und Gasindustrie in der Nordsee und möchte sich für den Erhalt der dortigen Arbeitsplätze einsetzen. Regan arbeitete nach einem Studium in England als PR-Managerin und trat 2014 in die SNP ein.

Mit Sturgeons Rückzug stellt sich auch die Frage nach der Zukunft der Unabhängigkeitsbewegung. Zwar haben alle Kandidaten angekündigt, eine Loslösung weiter voranzutreiben. Allerdings ist der Weg dahin unklar: Ein neues Referendum ist nach einer Entscheidung des obersten britischen Gerichts nur mit Zustimmung der Zentralregierung in London möglich – diese lehnt einen solchen Schritt strikt ab. In Umfragen sank die Zustimmung zu einer Unabhängigkeit nach Sturgeons Rückzug.

Die neue Parteichefin oder der neue Parteichef soll an diesem Dienstag im Regionalparlament von Edinburgh auch "First Minister" werden. Auf die neue Führung kommen jenseits der Unabhängigkeitsfrage weitere schwierige Themen zu. Trotz ihrer Regierungsämter gelten sowohl Forbes als auch Yousaf als vergleichsweise unerfahren. Spitzenpolitiker wie Sturgeons Vize John Swinney oder der frühere SNP-Fraktionschef im britischen Parlament, Angus Robertson, hatten auf eine Kandidatur verzichtet.

Schottland streitet über ein liberaleres Gender-Gesetz

Noch-Regierungschefin Sturgeon hat mit einem liberalen Gender-Gesetz in Partei und Gesellschaft für Spannungen gesorgt. Vorgesehen ist, dass die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfällt. Das Mindestalter für einen Antrag sinkt von 18 auf 16 Jahre. 

Die britische Regierung blockiert das Vorhaben, das auch von einigen in der SNP abgelehnt wird. Als einziger Kandidat hat Yousaf versprochen, juristisch gegen das Veto aus London vorzugehen. Nun droht Ärger mit den Grünen, die ein Festhalten an dem Vorhaben fordern und den Konflikt mit London eskalieren lassen wollen. Bei der Regionalwahl 2021 hatte die SNP eine absolute Mehrheit knapp verpasst. Sie ging daraufhin eine Zusammenarbeit mit den Grünen ein.

Quellen:  BBC

DPA
mkb