Nach dem Verzicht auf den allgemein erwarteten Rücktritt ist Silvio Berlusconi weiter im Amt - steckt aber in der schwersten politischen Krise seit Übernahme der Regierung im Jahr 2001. Der Medienunternehmer und Chef der rechtsgerichteten Partei Forza Italia scheint entschlossen an seiner Absicht festzuhalten, als erster Ministerpräsident der italienischen Nachkriegsgeschichte die volle Amtszeit von fünf Jahren auszuschöpfen - das ist noch niemandem gelungen.
Das Verhalten Berlusconis am Montag löste allenthalben Rätselraten über seine Beweggründe aus. "Es ist heute schwer zu sagen, worin die Lösung der Krise bestehen kann", schreibt der Leitartikler der Zeitung "Il Messaggero". Die linksliberale Tageszeitung "La Repubblica" titelte: "Die Agonie einer Allianz".
Den ganzen Montag über hatten die Bündnispartner Berlusconis erklärt, dass der Ministerpräsident seinen Rücktritt einreichen würde, um anschließend ein neues Kabinett mit einem stärkeren Rückhalt zu bilden. Am Abend war Berlusconi denn auch bei Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi - dem er einen Rücktritt vorlegen müsste. Doch nach dem Treffen erklärte Berlusconi, dass er sein Amt nicht niedergelegt habe.
Christdemokraten sichern weiter Unterstützung zu
Am Morgen danach kündigte der Ministerpräsident an, dass er im Parlament eine Erklärung abgeben und dann die Vertrauensfrage stellen will. Nur so kann Berlusconi zeigen, dass er trotz des Regierungsaustritts der Christdemokraten (UCD) und der Neuen Sozialistischen Partei (Nuovo PSI) von Gianni De Michelis noch über eine Mehrheit verfügt. Für den Fall, dass er seine abtrünnigen Christdemokraten nicht wieder ins Boot holen kann, haben die ihm schon ihre Unterstützung zugesagt - auch wenn sie sich nicht an der Regierung beteiligen.
Zudem sind Kabinettsumbildungen nichts Außergewöhnliches in Italien. Berlusconi hat seit seinem Regierungsantritt vor vier Jahren schon den vierten Außenminister berufen.
Seit der schweren Niederlage bei den Regionalwahlen Anfang April haben die Koalitionspartner der Forza Italia, allen voran die Nationale Allianz von Außenminister Gianfranco Fini, Berlusconi zum Rücktritt gedrängt. Weil nichts passiert ist, zog die UDC ihre Minister aus dem Kabinett ab.
Opposition macht Stimmung gegen den Regierungschef
Die Opposition beobachtet das Geschehen mit wachsender Verärgerung und nutzt die Krise, um ordentlich gegen Berlusconi Stimmung zu machen. Tatsächlich sind die Umfragewerte für die Regierungskoalition im Keller. Die "Krise verwandelt sich in eine unanständige Farce", sagte der Vorsitzende der Linksdemokraten, Piero Fassino. "Mit diesem Verhalten macht der Ministerpräsident seine Koalition, die Institutionen und zugleich das gesamte Land zum Gespött." Gavino Angius, ebenfalls von den Linksdemokraten, sprach von einer "inakzeptablen Schande".