In Spanien macht sich zunehmend Angst vor einem Auseinanderfallen des Landes breit. Nach den Basken gehen nun auch die Katalanen auf Distanz zu Madrid. Katalonien erhielt eine neue Linksregierung, die Spaniens wirtschaftsstärkster Region zu mehr Eigenständigkeit verhelfen will. Eine Koalition von Sozialisten, Separatisten und Ex-Kommunisten löste die gemäßigten Nationalisten ab, die die Region seit 23 Jahren regiert hatten.
Die neue Regierung wird vom Sozialisten Pasqual Maragall angeführt, der sich in Barcelona während der Olympischen Spiele 1992 als Bürgermeister einen Namen gemacht hatte. Eine Schlüsselposition im Kabinett nimmt die Separatistenpartei Republikanische Linke ein, die gegen die Monarchie und für ein unabhängiges Katalonien ist. Ihr Führer Josep Lluis Carod-Rovira ("Ich fühle mich im spanischen Staat nicht wohl") wurde als so genannter Chefminister stellvertretender Regierungschef.
"Geisel der Separatisten"
"Maragall ist eine Geisel der Separatisten", empörte sich am Mittwoch die konservative Madrider Zeitung "La Razón". "Die demokratische Verfassung und die Einheit des Landes stehen auf dem Spiel." Zuvor hatten bereits die Basken in Madrid für Aufregung gesorgt. Ihr Regierungschef Juan José Ibarretxe will das Baskenland zu einem weitgehend unabhängigen Staat machen, der durch einen Assoziationsvertrag nur noch lose an Spanien angebunden sein soll.
Die Katalanen sind mit ihren Forderungen nicht so radikal wie die Basken. Sie wollen zunächst einmal ihre Steuern selbst einziehen und finanziell von Madrid unabhängig werden. Ihr behutsames Vorgehen ist aus Madrider Sicht für die Einheit des Landes jedoch gefährlicher als der Unabhängigkeitsplan der Basken. Erstens hat Katalonien mit 6,3 Millionen drei Mal so viele Einwohner wie das Baskenland. Zweitens ist es einer der größten Nettozahler zum spanischen Staatshaushalt.
In Katalonien gibt es zudem - anders als im Baskenland - keine Terror-Organisation, die die Unabhängigkeit mit Gewalt erzwingen will. Die spanische Zentralregierung kann die Unabhängigkeitsforderungen der Basken leicht abbügeln dem Hinweis, man dürfe dem Terror der ETA nicht nachgeben. Für Katalonien gilt dieses Argument nicht. In der Region steht die Bevölkerung fast geschlossen hinter der Forderung nach mehr Eigenständigkeit.
Aznar als "Retter Spaniens"
Der "Aufstand der Regionen" dürfte die spanischen Parlamentswahlen in knapp drei Monaten bestimmen. Die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident José María Aznar will sich den Wählern als "Retter der Einheit Spaniens" präsentieren. Damit könnte sie Erfolg haben. Nach Umfragen rangieren die Konservativen weit vor den Sozialisten. Die PP-Regierung setzte ein Gesetz durch, wonach Maragall oder Ibarretxe bis zu fünf Jahren Haft drohen, wenn sie die Bevölkerung über ihre Autonomie-Pläne abstimmen lassen.