Saddam Hussein Gewalt begleitet Prozessauftakt

Am ersten Tag des Prozesses gegen Saddam Hussein ist es im Irak zur befürchteten Welle der Gewalt gekommen. Aufständische töteten mehr als 20 Menschen, ein Korrespondent des "Guardian" wurde entführt.

Am ersten Tag des Prozesses gegen den ehemaligen Machthaber Saddam Hussein haben Aufständische im Irak 26 Menschen getötet. In der Ortschaft Iskandarija südlich von Bagdad drangen Rebellen am Mittwoch in eine Fabrik ein und erschossen sechs schiitische Arbeiter. Wie die Polizei mitteilte, fesselten die Angreifer die Männer und töteten sie vor den Augen ihrer Kollegen. In Bagdad eröffneten Bewaffnete das Feuer auf eine Polizeistation und erschossen vier Polizisten. Elf weitere wurden während der mehrstündigen Schießerei verwundet. Nahe des Gefängnisses Abu Ghraib wurden drei Mitarbeiter der Wahlbehörde erschossen, die auf dem Heimweg waren. In der Nähe der Stadt Bakuba wurden nach Polizeiangaben zwei Männer an einer Tankstelle getötet. Sechs Zivilpersonen kamen beim Beschuss ihrer Häuser in Samarra nördlich von Bagdad mit Mörsergranaten ums Leben. Bei einem Anschlag auf den Wagen eines kurdischen Stammesführers in Kirkuk kam nach Polizeiangaben ein Passant ums Leben.

Britischer Journalist entführt

Ein Korrespondent der britischen Zeitung "Guardian" ist nach Angaben des Blattes in Bagdad entführt worden. Der 33-jährige Rory Carroll, Bagdader Korrespondent der britischen Zeitung, sei von einer Gruppe bewaffneter Männer im Bezirk Sadr City verschleppt worden, bestätigte die Zeitung heute in London. Der Journalist habe sich seit Januar im Irak aufgehalten und gerade eine Familie zum Prozess gegen Saddam Hussein interviewt, als er entführt worden sei. Auf Seite eins der Donnerstagsausgabe des "Guardian" appellierte Herausgeber Alan Rusbridger an die Entführer, Carroll wieder freizulassen. "Wir sind zutiefst betroffen", schrieb er. "Er ist ein sehr guter, sehr aufrechter Journalist, dessen einziges Anliegen es ist, fair und wahrheitsgemäß über das Land zu berichten." Carroll hatte den radikalen Prediger Moktada al Sadr gebeten, in dessen Hochburg Sadr City ein Interview mit einem Opfer des Saddam-Regimes zu arrangieren.

Saddams Neffe festgenommen

Nur wenige Stunden nach Beginn des Prozesses gegen den irakischen Ex-Machthaber Saddam Hussein haben die Sicherheitskräfte in Tikrit einen seiner Neffen festgenommen. Nach Angaben der Armee hatte sich Jassir Sabawi al-Tikriti am Mittwochabend unter die Demonstranten gemischt, die vor der Saddam-Moschee für die Freilassung seines Onkels demonstrierten. Der Saddam-Neffe soll sogar an der Organisation der Demonstration beteiligt gewesen sein. Die US-Armee vermutet, dass der ehemalige Leibwächter von Saddam Hussein seit dem Sturz des Regimes Angriffe auf US-Soldaten organisiert und Aufständische mit Geld versorgt hat.

Annan fordert fairen Prozess

Unmittelbar nach dem Prozessauftakt gegen den gestürzten irakischen Diktator Saddam Hussein hat UN-Generalsekretär Kofi Annan einen fairen Prozess angemahnt. "Das Verfahren muss internationalen Standards entsprechen", sagte Annan am Mittwoch in New York. "Falls das nicht so sein sollte, müssen natürlich Fragen gestellt werden." Kritiker fürchten, dass der Prozess vor einem noch von der US-Besatzungsverwaltung eingesetzten Gericht zu einem politischen Tribunal werden könnte. Saddam, dem zwölf Greueltaten während seiner jahrzehntelangen Herrschaft vorgeworfen werden, droht die Todesstrafe.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters