Die Party-Videos der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin schlagen nach wie vor hohe Wellen. Nicht nur Finnland diskutiert über die privaten Aufnahmen der 36-Jährigen. Am Donnerstag tauchten Bilder auf, die die Politikerin beim ausgelassenen Feiern und Tanzen mit Freunden zeigen. Dass die Regierungschefin gerne Party macht und auch mal in Clubs und auf Festivals unterwegs ist, spaltet die Gemüter der finnischen Bürger.
Frauen aus Finnland stehen hinter Sanna Marin
"Als Regierungschefin ist sie keine normale Finnin, die feiern kann, wie es ihr passt. An ihren Job sind bestimmte Erwartungen geknüpft", erläutert Ilkka Ahtiainen, Chefredakteur des finnischen Fernsehsenders mtv die Kritik an Marin. Im stern-Interview spricht er über die kontroverse Debatte um die Politikerin. Viele junge Finnen hingegen sind Fans der jungen Premierministerin. "Sie finden es cool, eine Ministerpräsidentin zu haben, die feiert und Spaß hat, und sie sagen: Ist doch ihre Freizeit, ihr Privatleben", so Ahtiainen.
Es sind vor allem Frauen, die sich hinter ihre Regierungschefin stellen. Davon zeugt der Hashtag "#SolidaritywithSanna": Hunderte Finninnen haben in den vergangenen Tagen Videos von sich geteilt, auf denen sie ebenso hemmungslos tanzen und feiern wie die Politikerin. "Es passiert uns allen. Hier ist ein geheimes Video von mir und meinen Freunden, auf dem wir betrunken sind", schreibt beispielsweise eine Frau auf Twitter zu einem Clip, auf dem sie Luftgitarre spielt. Auch aus Deutschland gibt es Rückendeckung. So veröffentlichte die Grünen-Politikerin Hannah Neumann ein Video von einem mehrere Jahre zurückliegenden Grünen-Bundesparteitag, bei dem sie unter anderem mit Annalena Baerbock tanzte.
Urteilsvermögen der Politikerin das Hauptproblem
Mit dem Social Media-Trend greifen die Frauen die Sexismus-Vorwürfe auf, die in der Debatte um Sanna Marin mitschwingen. Seit ihrem Amtsantritt stehen das junge Alter und ihr Geschlecht immer wieder im Vordergrund. Wären auf dem Party-Video männliche Politiker zu sehen gewesen, hätte das keinen Skandal ausgelöst, monieren viele Nutzer sozialer Medien. Anu Koivunen, Professorin für Geschlechterforschung an der finnischen Universität Turku, glaubt hingegen nicht, dass das Geschlecht ein entscheidender Faktor für den Aufruhr sei.
Es gehe vielmehr um das Urteilsvermögen der Premierministerin. Nach eigenen Angaben habe Marin sich darauf verlassen, dass die Bilder nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Dass sie in einer Gesellschaft, in der sie offensichtlich nicht jedem vertrauen konnte, sich nicht zurückgehalten habe, sei das Hauptproblem, meint Koivunen. "Dass sie den falschen Leuten vertraut hat, das könnte ihr noch auf die Füße fallen", glaubt auch Ilkka Ahtiainen. Mit ihrem Verhalten könne sie ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben.
Nachdem Vorwürfe laut geworden waren, die Regierungschefin hätte auf der Feier neben Alkohol auch Drogen konsumiert, unterzog sich die Politikerin einem freiwilligen Drogentest. "Ich habe nicht Illegales getan", stellte sie wiederholt klar.
Quellen: "Redaktionsnetzwerk Deutschland", "The Guardian", Deutsche Presse-Agentur