Dmitri Medwedew sieht eine Blutsbrüderschaft zwischen China und Russland, die weit bis zum Kampf gegen die Japaner während des Zweiten Weltkrieges zurückgeht. "Die Freundschaft mit China ist eine strategische Entscheidung - eine Wahl, die vor Jahren mit Blut besiegelt wurde", sagt der russische Präsident während seines dreitägigen Staatsbesuches in China vor russischen und chinesischen Veteranen. Mit den großen Worten verschweigt der Kremlchef allerdings Jahrzehnte der Spannungen zwischen Chinesen und Russen, denen es eigentlich schwer fällt, die dunklen Kapitel ihrer wechselvollen Geschichte und das Misstrauen hinter sich lassen.
Zwar haben Russen und Chinesen einst Seite an Seite gegen die japanische Besatzung in China gekämpft. Auch halfen die Sowjets den chinesischen Kommunisten 1949 auf dem Weg zur Macht in Peking. Doch folgte eine tiefe ideologische Spaltung, in deren Folge die Chinesen den einst engsten Verbündeten als größte Bedrohung empfanden. Auf dem Höhepunkt der Spannungen lieferten sich beide Seiten Ende der 60er Jahre blutige Grenzgefechte. Die Sowjetunion soll 1969 sogar einen nuklearen Schlag gegen China erwogen haben, der die Welt an den Rande eines Atomkrieges gebracht hätte.
Lang, lang ist's her, mag Medwedew denken. Damals war der 45- jährige Präsident gerade einmal vier Jahre alt. Heute kann sich der Kremlchef daran freuen, dass die Beziehungen besser sind als noch vor wenigen Jahren vorstellbar. "Das gegenseitige politische Vertrauen hat ein bislang nie dagewesenes Niveau erreicht", bestätigt Xia Yishan, Russland-Experte am Forschungsinstitut für internationale Fragen. "Beide Länder teilen gleiche oder ähnliche Ansichten in wichtigen internationalen Fragen wie der Atomfrage mit dem Iran oder dem Kampf gegen Terrorismus." Beide halten sich aus den inneren Angelegenheiten des anderen heraus: Egal ob Moskau die Tschetschenen unterdrückt oder Peking die Tibeter - es ist kein Thema.
Glänzende Aussichten bietet auch die wirtschaftliche Kooperation. Die erste Pipeline zwischen den beiden Nachbarn eröffnet ein neues Kapitel in den Beziehungen. Auch hier sind das jahrelange Tauziehen und Chinas Enttäuschungen über die Verzögerungen bei dem Milliardenprojekt vergessen. Ab Januar fließt endlich das russische Öl, das die heute zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde so dringend braucht. In fünf Jahren soll auch noch Gas folgen.
Mit der Pipeline sendet Moskau gleichzeitig ein Signal nach Europa, wo sich politischer Widerstand gegen die Energielieferungen aus Russland formiert. Wir können auch anders, lautet die Botschaft der russischen Energiekonzerne, die ihre Lieferungen nach China und Asien insgesamt ausbauen wollen. Russland will aber nicht nur Rohstoff-Exporteur sein, sondern auch Maschinen liefern - wenn es denn so einfach wäre: "Russland begreift langsam, dass es nicht an China liegt, sondern vielmehr daran, dass die russischen Ausfuhrgüter in China nicht konkurrenzfähig genug sind", sagt Experte Xia Yishan.
Sehr begehrt sind allerdings russische Waffensysteme oder Kampfflieger, die China woanders nicht bekäme. Letztendlich bildet die "strategische Partnerschaft" zwischen China und Russland auch ein Gegengewicht zur letzten großen Supermacht USA in der Welt - auch wenn weder Medwedew noch Hu Jintao das so offen sagen würden.