Schweiz will Atomausstieg Eidgenossen kehren Atomkraft den Rücken

Die Atomkatastrophe in Japan hat auch in der Schweiz Spuren hinterlassen. Ein "Weiter so!"" kann es nach Ansicht der Regierung in Bern in der Atompolitik nicht geben. Bis spätestens 2034 sollen die fünf Atomkraftwerke vom Netz sein. Doch es gibt Kritik.

Die Schweiz plant eine Zukunft ohne Atomkraft. Das Land will sich beim Ausstieg aber Zeit lassen, um einen geregelten Übergang hin zu erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Unter Annahme einer durchschnittlichen Betriebsdauer von 50 Jahren müsste damit das erste der insgesamt fünf Schweizer Atomkraftwerke 2019 vom Netz gehen, das letzte im Jahr 2034, teilte das Schweizer Energieministerium am Donnerstag mit. Die Pläne für drei geplante Ersatzbauten sollen ebenfalls aufgegeben werden. Auf ein konkretes Ausstiegsdatum wollte sich die Regierung aber nicht festlegen. Laut den Worten der zuständigen Ministerin, Doris Leuthard, sei je nach technischem Zustand der AKWs auch eine um zehn Jahre längere Laufzeit denkbar. Das Schweizer Parlament muss dem Beschluss der Regierung noch zustimmen.

Mit dem schrittweisen Atomausstieg will die Regierung den geregelten Übergang zu alternativen Energien gewährleisten. "Wir sind überzeugt, der Weg lohnt sich und wir sollten ihn nun beginnen", sagte Leuthard. Die an natürlichen Ressourcen nicht arme Eidgenossenschaft deckt den größten Teil ihres Energiebedarfs aus Wasserkraft, daneben aber auch rund 40 Prozent aus Kernenergie. In Zukunft solle der Anteil der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Außerdem will das Land verstärkt Strom sparen. Die Wärme-Kraft-Kopplung sowie Gaskombikraftwerke stünden als Brückentechnologie zur Verfügung.

Vor allem Wirtschaftsverbände hatten zuletzt Bedenken wegen einer etwaigen Energieknappheit und stark steigender Stromkosten angemeldet, sollte es zu einem überhasteten Atomausstieg kommen. Für eine vorzeitige Stilllegung sieht der Bundesrat denn auch keinen Anlass. Überprüfungen infolge des Atomunglücks im japanischen Fukushima hätten ergeben, dass der sichere Betrieb der Schweizer Kernkraftwerke gewährleistet sei. Der geregelte Ausstieg dürfte die Schweizer Wirtschaft laut Berechnungen der Regierung 0,4 bis 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts kosten.

Gegen den jetzt beschlossenen Kompromiss dürfte sich allerdings Widerstand regen. Sowohl die Sozialdemokraten von der SP als auch die Schweizer Grünen, die nicht in der Regierung vertreten sind, begrüßten zwar den Grundsatzentscheid für den Atomausstieg, kritisierten zugleich aber die langen Laufzeiten. Die Grünen wollen einen Atomausstieg bereits im Jahr 2029 und sind notfalls bereit, eine Volksinitiative zu ergreifen. Schlechte Karten dürfte die Öko-Partei bei einer Volksbefragung für einen raschen Ausstieg nicht haben, denn seit dem Atomunglück im japanischen Fukushima hat sich auch in der bislang atomfreundlichen Schweiz die Stimmung gedreht. Im Kanton Aargau demonstrierten am Sonntag rund 20.000 Menschen gegen Atomkraft, es war die größte Anti-AKW-Kundgebung in der Schweiz seit Tschernobyl.

Auch bei der neuen Grün-Roten-Landesregierung in Stuttgart dürfte die Lösung auf wenig Gegenliebe stoßen, da die Schweizer Atomkraftwerke im internationalen Vergleich größtenteils schon heute als veraltet gelten. Seit 1969 ist Beznau-1, das erste AKW der Schweiz, am Netz. Der störanfällige Meiler ist der älteste noch im Betrieb befindliche Druckwasserreaktor der Welt und befindet sich wie drei weitere Kernkraftwerke in unmittelbarer Grenznähe zu Deutschland. Im Gegensatz zur Schweiz dürfte die Bundesregierung auf einen raschen Atomausstieg setzen. Bereits vor dem Bericht der Ethikkommission des Bundes hat sich die CSU auf das Ausstiegsdatum 2022 festgelegt.

Reuters
cjf/Reuters