Selbstmordanschlag Im Visier der Terroristen

Fünf Wochen vor der Präsidentschaftswahlen in Russland hat der Terror mit dem Anschlag auf die Moskauer U-Bahn einen neuen Höhepunkt erreicht. Vieles deutet wieder auf eine tschetschenische Spur hin. Dem Image von Präsident Putin schadet das aber nicht.

Erst der Anschlag auf ein Freiluft-Rockkonzert, dann die Bombe neben der Staatsduma und nun die Explosion in der Moskauer Metro: Die Welle des Terrors hat fünf Wochen vor den Präsidentenwahlen in Russland einen neuen Höhepunkt erreicht. Vieles deutet wieder auf eine tschetschenische Spur hin. Nach allen Prognosen kann sich Präsident Wladimir Putin am 14. März eines unangefochtenen Wahlsieges sicher sein. Doch den Terror hat der frühere Geheimdienstmann bis heute nicht in den Griff bekommen.

Seit langem hatten die Moskauer Bürger einen Anschlag auf ihre Metro befürchtet. Die U-Bahn ist mit täglich knapp neun Millionen Fahrgästen das pulsierende Herz der Metropole - und damit ein ideales Ziel für Terroristen. Das Zünden einer Handgranate oder aber ein Selbstmordattentat in einem vollbesetzten Waggon wie am Freitag sind in dem gigantischen Tunnelsystem kaum zu verhindern. Starke Polizeikontrollen an den Eingängen dienten eher zur Beruhigung der Bevölkerung als einem wirkungsvollen Schutz vor Attentaten.

Rache für das Sterben vieler junger Tschetschenen

Mit dem Anschlag auf die vollbesetzte U-Bahn nahmen die mutmaßlich aus Tschetschenien stammenden islamistischen Terroristen erstmals den Moskauer "Durchschnittsbürger" auf dem Weg zur Arbeit ins Visier. Hinter dem Anschlag im vergangenen Juli auf ein Freiluft-Festival wurde von Experten noch die Absicht vermutet, auf einem "dekadenten Rockkonzert" junge Moskauer in den Tod zu reißen und damit Rache für das Sterben vieler junger Tschetschenen im Krieg zu nehmen. Der Selbstmordanschlag neben der Staatsduma im Dezember galt als Antwort auf den Wahlsieg des Kremls bei der Parlamentswahl.

Putin war vor vier Jahren mit dem Versprechen gewählt worden, das Tschetschenien-Problem zu lösen. Mittlerweile wird im Nordkaukasus kein offener Krieg mehr gegen die Freischärler geführt. Unter zweifelhaften Umständen wurde eine Moskau ergebene Regierung gewählt. Die schätzungsweise noch etwa 1000 Freischärler sind in den Bergen verschanzt. Rebellenführer wie Schamil Bassajew haben den blutigen Konflikt mit Selbstmordattentaten nach Moskau getragen.

Die politischen Verhältnisse sind schwer zu begreifen

Die politischen Verhältnisse in Russland sind für Ausländer in den Tagen vor der Wahl mitunter schwer zu begreifen. Der Präsident scheint nur für die Erfolge im Lande zuständig zu sein. Obwohl der Kreml im Anti-Terror-Kampf eine blutige Niederlage nach der anderen einstecken muss, gilt Putin als eindeutiger Favorit bei den Wahlen am 14. März. Ein Stimmenanteil von mehr als 70 Prozent soll ihm sicher sein. Daran dürfte auch der jüngste Anschlag wenig ändern.

In einer aktuellen Umfrage - veröffentlicht am Tage vor dem Anschlag - fordern 56 Prozent aller befragten Russen von ihrem Präsidenten, er möge den Konflikt in Tschetschenien endgültig beenden. Der Kreml hat unter Putin bislang stets Härte gezeigt und die Rebellen als Handlanger des internationalen Terrorismus bezeichnet. Von Friedensgesprächen und einem Kompromiss mit den Freischärlern nach zehn Jahren Krieg ist selbst in der russischen Öffentlichkeit keine Rede mehr.

DPA
Stefan Voß