Staatsbesuch Tauwetter nach langer Eiszeit

Höhen und viele Tiefen haben die Beziehungen zwischen beiden Ländern durchlebt. Mit Moshe Katzav besucht jetzt erstmals ein israelischer Staatspräsident Österreich. Er wird auch das ehemalige KZ Mauthausen besichtigen.

Der erste Staatsbesuch eines israelischen Präsidenten am Dienstag in Österreich setzt ein Signal: Die Eiszeit zwischen beiden Ländern, die - mit Unterbrechungen - fast ein halbes Jahrhundert gedauert hat, scheint vorüber. Wenn Mosche Katzav am kommenden Mittwoch das Konzentrationslager Mauthausen bei Linz besichtigt, wo mindestens 100 000 Häftlinge von Nazi-Schergen ermordet wurden, so anerkennt er damit letztlich die Bemühungen Wiens, die Jahrzehnte lang verdrängte Vergangenheit aufzuarbeiten. Eine Vergangenheit, in der sich Politiker wie Bürger nach Meinung vieler Israelis allzu sehr auf ihren Status als "Opfer" des Nationalsozialismus beriefen und damit jede Mitschuld an den Nazi-Gräueln verdrängten.

Konzentrationslager Mauthausen

Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, hatte das KZ Mauthausen durch einen Erlass von 1941 zum Vernichtungslager bestimmt. Etwa 120 000 Häftlinge wurden ermordet oder kamen durch Zwangsarbeit in den nahe gelegenen Steinbrüchen um. Mauthausen war das einzige Konzentrationslager der Lagerstufe III. Für die Häftlinge galt "Rückkehr unerwünscht", es galt das Prinzip "Vernichtung durch Arbeit".

Noch vor Kriegsende sollten zusätzliche Verbrennungsöfen, die vor der Sprengung des KZ Auschwitz-Birkenau demontiert wurden, aufgestellt werden. Trotz der Kriegswirren erreichte ein Teil der Anlagen das Lager bei Linz, das seit 1942 mit einer Gaskammer ausgestattet war. Am 5. Mai 1945 wurde das Lager von US-Truppen befreit.

Heute mahnen die Wachtürme oberhalb der oberösterreichischen Ortschaft Mauthausen als steinerne Reste, damit solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie wieder begangen werden.

"Kollektive Amnesie"

Die Geschichte der Irritationen und politischen Konflikte zwischen Österreich und Israel ist lang. Historiker sehen ihre Wurzeln in einer Erklärung der Kriegsalliierten von 1943, in der das 1938 von Nazi-Deutschland annektierte Österreich als "erstes Opfer" Hitlers bezeichnet wurde. Daraufhin, so merkten kritische Historiker an, verfiel ganz Österreich in eine "kollektive Amnesie". Während das "Tätervolk", die Deutschen, "Wiedergutmachung" leistete, blieben die Österreicher als "Opfer" davon verschont. 1952 verzichtete Israel - als politische Gegenleistung für einen hohen Kredit - auf eine Wiener Entschädigung. Und dies, obwohl die Beteiligung von Österreichern an den Gräueltaten der Nationalsozialisten schon damals unbestritten war.

Zwar erwärmten sich die Beziehungen zwischen der Regierung in Jerusalem und Wien nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 in Nahost, doch in der Ära des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky wurden sie dafür umso eisiger. Kreisky, selbst jüdischer Herkunft, bezog aus israelischer Sicht klar die Partei der Araber, insbesondere der Palästinenser. Obwohl er das Existenzrecht Israels nie in Frage stellte, nannte er dessen Regierung "semifaschistisch" und Israel "einen Wüstenstreifen, mit dem mich nichts verbindet".

In den 80er Jahren sorgte dann die Wahl von Kurt Waldheim zum österreichischen Bundespräsidenten wegen seines Kriegseinsatzes als Offizier der deutschen Wehrmacht auf dem Balkan für tiefe Missstimmung. Beide Länder stuften in der Folge ihre diplomatischen Beziehungen zurück.

Symbolische Zahlung an Nazi-Opfer

1993 schien dann der Wendepunkt gekommen: In einer Rede vor der Knesset räumte der sozialdemokratische Kanzler Franz Vranitzky öffentlich eine Mitschuld von Österreichern an Nazi-Verbrechen ein. Die neue Haltung Wiens mündete 1995 in die Gründung eines "Nationalfonds". 26 000 Nazi-Opfer erhielten durch diesen Fond bis Ende 1999 eine symbolische Zahlung von umgerechnet 5000 Euro.

Der Nahost-Friedensprozess und der EU-Beitritt Österreichs führten zu einer weiteren Normalisierung der Beziehungen, die jedoch wieder vereisten, als der Vorsitzende der konservativen Volkspartei, Wolfgang Schüssel, im Februar 2000 eine Koalition mit der Partei des Rechtspopulisten Jörg Haider bildete. Israel rief seinen Botschafter aus Wien zurück, eine auch in Israel nicht unumstrittene Maßnahme, die Ministerpräsident Ariel Scharon im vergangenen Jahr aufhob.

Der aus dem Iran stammende Likud-Politiker Moshe Katzav war im Juli 2000 vom Parlament überraschend zum achten Präsidenten des Staates Israel gewählt worden. Katzav ist nach Yitzhak Navon (1978-83) das zweite israelische Staatsoberhaupt sephardischer Herkunft. Er kam als Sechsjähriger ins Land und wurde schon mit 24 Jahren Bürgermeister der Stadt Kiryat Malachi. In mehreren Likud-Regierungen bekleidete er verschiedene Ministerposten und fungierte auch als Vizepremier.

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Christian Fürst/DPA