Territorialstreit zwischen China und Japan Das Risiko einer neuen Eiszeit wächst

Für ein paar unbewohnte Felsen im Meer setzen China und Japan ihre Beziehungen aufs Spiel. Besorgt verfolgt Tokio, wie der aufstrebende Nachbar rasant aufrüstet. Der Streit eskaliert.

Es ist noch nicht allzu lange her, da lagen die einstigen Feindstaaten Japan und China auf Versöhnungskurs. Als in Japan der oppositionellen Demokratischen Partei (DPJ) 2009 der Machtwechsel gelang, schlug die neue Regierung dem benachbarten Riesenreich sogar die Gründung einer Ostasiatischen Gemeinschaft nach dem Vorbild der Europäischen Union vor. Mehr noch: Zwischenzeitlich sah es so aus, als halte Tokio die Annäherung an China für wichtiger als das Verhältnis zu seiner Schutzmacht USA. Von alledem ist jetzt nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Mit dem wieder aufgeflammten Streit um ein paar Inseln im Ostchinesischen Meer riskieren beide asiatischen Wirtschaftsmächte eine neue Eiszeit in ihren Beziehungen.

In China reißt der Territorialstreit alte Wunden auf: Die Ursache der "falschen Haltung" zu den Inseln liege darin, dass Japan seine Kriegsvergangenheit nie richtig aufgearbeitet habe. Es fehle an "tiefgehender Reue einiger Kräfte in Japan über die Verbrechen der militaristischen Aggression" während des Zweiten Weltkrieges, schreibt das Parteiorgan "Volkszeitung". Japan stelle die Verträge für die Nachkriegsordnung auf den Kopf. Es gibt bereits Proteste auf den Straßen. Die Empörung im Milliardenvolk kommt der Partei gerade auch nicht ganz ungelegen: Es lenkt von den Ungewissheiten und dem Ringen vor dem geplanten Generationswechsel in der Parteispitze ab.

In Japan wiederum flammt der Streit mit China zu einer Zeit auf, da sich in der Politik ein Rechtsruck vollzieht. "Man will die Verteidigungskapazitäten stärken, enger mit Amerika zusammenschließen und zugleich entschlossener gegenüber China und Korea auftreten", erläutert der japanische Analytiker Minoru Morita in Tokio. Japan fürchtet schon seit geraumer Zeit, immer weiter in die Defensive gegenüber China zu geraten, das Japan inzwischen als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt überholt hat. Besorgt verfolgt Tokio zudem, wie Peking militärisch aufrüstet und seine territorialen Ansprüche immer stärker anmeldet.

Vertrauen wurde gebrochen

China schere sich viel weniger darum, wie sein Verhalten die internationale Ordnung herausfordere, kritisierte der Chefstratege der regierenden Demokratischen Partei, Seiji Maehara, laut Medien vor kurzem in einer Rede in Washington und übte Kritik an den zunehmenden Marineoperationen Chinas in der Asien-Pazifikregion. Maeharas Partei muss bei erwarteten vorgezogenen Wahlen den Machtverlust fürchten. Er ist nicht der einzige, der sich in diesen politisch und wirtschaftlich für seine Heimat schwierigen Zeiten für ein stärkeres Japan in Sicherheitsfragen ausspricht.

Der Streit um die von Japan Senkaku und von China Diaoyu genannten Inseln schwelt schon lange. "Unserer Generation fehlt die nötige Weisheit, aber die nächste wird bestimmt mehr Weisheit haben", sagte der chinesische Reformer Deng Xiaoping nach der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages beider Staaten 1978. Mit diesen Worten vertagte man den Streit. Tatsächlich befinden sich die Inseln seither de facto unter japanischer Kontrolle. Das hätten beide Seiten letztlich anerkannt, ohne es aber irgendwo festzuhalten oder auch nur auszusprechen, erläutert Morita. Man habe sich einfach darauf verständigt, dass beide Seite behaupten können, Recht zu haben.

Nun aber habe die Regierung von Premier Yoshihiko Noda erklärt, Japan habe "kein Territorialproblem". Mit anderen Worten, China werde abgesprochen, sein Recht auf die Inseln äußern zu dürfen. Für China sei das ein Vertrauensbruch, so Experte Morita. Andererseits weiß Japan, dass wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen. Noda wollte mit dem Kauf von drei der Inseln nach Ansicht von Beobachtern auch eigentlich nur vermeiden, dass die Stadtregierung von Tokio unter dem nationalistischen Gouverneur Shintaro Ishihara sie erwirbt. So wollte er verhindern, dass es zu weiteren Provokationen Chinas kommt. Doch die Führung in Peking glaubt eher an eine Verschwörung. "Durch die "Verstaatlichung" will die japanische Regierung ihre "tatsächliche Kontrolle" über die Diaoyu-Inseln verstärken und sie letztendlich besetzen", schrieb das Parteiorgan "Volkszeitung".

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Lars Nicolaysen und Andreas Landwehr, DPA