Amoklauf in Texas "Unsere Kinder leben in Angst": US-Senator ruft mit emotionaler Rede Abgeordnete auf, die Gewalt endlich zu stoppen

Emotionaler Appell, nach den tödlichen Schüssen in Uvalde, Texas, endlich die Waffengesetze zu verschärfen: Chris Murphy, Senator von Connecticut
Emotionaler Appell, nach den tödlichen Schüssen in Uvalde, Texas, endlich die Waffengesetze zu verschärfen: Chris Murphy, Senator von Connecticut
© Kevin Dietsch / Getty Images / AFP
Erneut betrauern die USA tote Kinder nach einem Mass Shooting an einer Schule in Texas. Im US-Senat ruft der Demokrat Chris Murphy die Abgeordneten in einer emotionalen Rede auf, endlich etwas zu unternehmen. Er klagt an: "Sowas passiert nur hier!"

Der Senator des US-Bundesstaates Connecticut, Chris Murphy, hat mit einer emotionalen und aufrüttelnden Rede auf den Amoklauf eines 18-Jährigen in einer Grundschule in Texas reagiert. Darin rief der Demokrat vor allem seine republikanischen Kolleg:innen auf, endlich gemeinsam einen Weg zu finden, strengere Waffengesetze zu realisieren, um den anhaltenden Kreislauf aus ungebremster Gewalt und Trauer um die Opfer endlich zu durchbrechen. Denn: "Unsere Kinder leben in Angst – jedes Mal, wenn sie einen Fuß in ein Klassenzimmer setzen, weil sie fürchten, sie könnten die nächsten sein."

Murphy engagiert sich seit dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown/Connecticut 2012 mit 28 Toten – darunter viele Kinder – für eine Reform der freizügigen US-Waffengesetze. Deren Verschärfung forderte er nach dem Attentat von Orlando 2016 mit 49 Toten in einem epischen Redemarathon über 14 Stunden und 50 Minuten vehement im Senat ein. Diese sogenannte Filibuster-Rede war die neuntlängste in der Geschichte des US-Senats. Spürbare Folgen hatte sie nicht.

Amoklauf in Texas: "Was machen wir?"

Nun nahm Murphy seine Senatskolleg:innen erneut in die Pflicht. "Was machen wir?", fragte der 48-Jährige immer wieder und redete dann den Senatorinnen und Senatoren ins Gewissen: "Warum haben Sie so viel Zeit damit verbracht, für den US-Senat zu kandidieren? Warum haben sie sich so viel zugemutet, um diesen Job zu bekommen, um sich selbst in eine Position zu bringen, Entscheidungen zu treffen, wenn Ihre Antwort ist, wenn das Gemetzel zunimmt und unsere Kinder um ihre Leben rennen: Wir tun nichts?" Und Murphy schob nach: "Was machen wir? Warum sind Sie hier, wenn nicht dafür, ein Problem, das so existenziell ist wie dieses, zu lösen?"

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Murphy ließ danach nicht locker. "Sowas passiert nur in diesem Land", insistierte er und fuhr mit vehementen Armbewegungen fort: "Nirgendwo sonst gehen kleine Kinder mit dem Gedanken zur Schule, dass sie vielleicht an diesem Tag erschossen werden könnten. Nirgendwo sonst müssen Eltern ihren Kindern erklären, wie ich das tun musste, warum sie in ein Badezimmer eingesperrt und angewiesen wurden, für fünf Minuten still zu sein, weil ein böser Mann das Gebäude betreten hatte. Nirgendwo sonst passiert sowas außer hier in den Vereinigten Staaten von Amerika."

Chris Murphy: "Stehe hier, um meine Kollegen zu bitten"

Mit bebender Stimme betonte er danach: "Es ist unsere Wahl, dies so weitergehen zu lassen." Murphy beschrieb anschließend, wie die Sandy-Hook-Grundschule in seinem Bundesstaat nur mühsam zurück in ein normales Schulleben fand. Immer wieder hätten die Schüler und Schülerinnen die furchtbaren Ereignisse durchlebt. Es sei ein Codewort eingeführt worden, mit dem die traumatisierten Jungen und Mädchen mitten im Unterricht signalisieren konnten, dass sie gerade von ihren Erinnerungen eingeholt wurden. Wer aufstand und "Monkey" sagte, sei sofort aus dem Unterricht genommen worden und man habe sofort über die Geschehnisse und die Ängste gesprochen. Wie in der Sandy-Hook-Schule werde es auch in der Schule in Texas nie mehr so wie vorher sein.

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Dorthin, nach Uvalde, gingen Mitgefühl und Gebete. "Aber ich stehe hier", fuhr Murphy fort, "um zu bitten, um buchstäblich auf die Knie zu gehen und händeringend meine Kollegen zu bitten: Gehen Sie einen Schritt weiter! Arbeiten Sie mit uns daran, einen Weg zu finden, Gesetze zu beschließen, die so etwas weniger wahrscheinlich machen." Er verstehe, dass seine republikanischen Kolleg:innen nicht allem zustimmen könnten, was er unterstütze, fuhrt Murphy fort, "aber es gibt einen gemeinsamen Nenner, den wir finden können". Irgendwo gebe es die Chance auf eine Einigung, appellierte der Demokrat an die Republikaner, die sich stets für die freien Waffengesetze einsetzen.

Stillschweigende Billigung der Gewalt beenden

"Das mag nicht garantieren, dass Amerika niemals mehr ein Mass Shooting erleben wird", so Murphy weiter. Es werde auch nicht über Nacht die Hälfte aller Morde, die in den USA geschehen, beenden. Und eine Übereinkunft werde auch nicht das Gewaltproblem an sich lösen. "Aber indem wir etwas tun, hören wir wenigstens auf, diese stille Botschaft der Billigung an diese geistesgestörten Mörder zu senden, dass die höchsten Ebenen der Regierung nichts tun."

"Was machen wir?", fragte Murphy abschließend erneut. "Warum sind wir hier?"

dho