Was macht einen schlechten Gastgeber aus?
Wenn er den Besuch an der Haustür auffordert, die Schuhe ausziehen? Wenn er es versäumt, Erfrischungen nach der langen Anreise anzubieten? Oder wenn er seinem Gast vorwirft, er würde einen Völkermord bei sich zu Hause ignorieren?
Der Empfang des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa im Weißen Haus am Mittwoch nahm nach einem zunächst angenehm belanglosen Small Talk eine absurde Wende. Stimmungskiller war der Gastgeber selbst – mal wieder. US-Präsident Donald Trump überraschte die anwesenden Spitzenpolitiker, Diplomaten und Journalisten, als er auf einmal das Licht dimmen ließ und seinen Gästen Videoaufnahmen vorspielte, die einen Genozid an weißen Farmern in Südafrika belegen sollten. Anschließend hielt er mehrere Zeitungsartikel in die Kamera, die ebenfalls die Ermordung von europäischstämmigen Afrikanern beweisen sollen. Die Menschen würden in ihrer Heimat "hingerichtet", behauptete Trump und forderte eine Erklärung von seinem Gast.
Die hatte Ramaphosa nicht – wie auch? Schließlich sei an den Behauptungen nichts dran. Wirklich?
Gibt es einen Völkermord an weißen Südafrikanern?
Nein. Was genau unter einem Genozid zu verstehen ist, darüber streiten Juristen seit Langem. Laut Definition der Vereinten Nationen handelt es sich um ein Verbrechen "begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören". Davon kann in Südafrika definitiv nicht die Rede sein.

Die Verschwörungstheorie, die Trump zwar am Mittwoch so öffentlichkeitswirksam wie nie, aber (wie auch sein in Südafrika geborener enger Berater Elon Musk) bei Weitem nicht zum ersten Mal verbreitete, gehört seit Langem zum Repertoire weißer Nationalisten. Sie spielt aber selbst in der aufgeladenen südafrikanischen Politik keine Rolle. Auch unabhängige Forschungsinstitute und weiße Farmer selbst widersprachen dem Vorwurf, im Februar nannte ein südafrikanisches Gericht die Behauptung "ganz klar erfunden".
Dass Südafrika ein massives Kriminalitätsproblem hat, stimmt. Richtig ist auch, dass es hier immer wieder zu Gewalttaten, ja sogar zu Morden an isoliert lebenden Bauern kommt. Doch zum einen machen diese Verbrechen nur einen Bruchteil der Opferzahlen aus. Offiziellen Regierungsstatistiken zufolge gab es zwischen April und Dezember 2024 rund 19.700 Morde in Südafrika – 36 davon auf Farmen, sieben davon an Bauern selbst. Farmer-Interessensverbänden zählten 32 Morde im vergangenen Jahr – die niedrigste Zahl seit mehr als drei Jahrzehnten.
Zum anderen gibt es keinen belegbaren Zusammenhang zwischen der Hautfarbe der Opfer und den Taten, wie selbst der nach Washington mitgereiste weiße Milliardär Johann Rupert im Oval Office klarstellte: "Wir haben zu viele Tote – aber in der gesamten Bevölkerung." Die Mehrheit der Mordopfer im ganzen Land seien arme, unterbeschäftigte oder arbeitslose junge schwarze Männer, sagte Gareth Newham vom Institute for Security Studies gegenüber dem Rechercheportal "Politifact". Über Morde an weißen Farmern würde lediglich deutlich öfter berichtet, erklärt zudem eine lokale Journalistin der Plattform.
Werden weiße Südafrikaner vom Staat enteignet?
Trump hatte Ramaphosa vorgeworfen, seine Enteignungspolitik sei für die Gewalt an weißen Farmern verantwortlich und deswegen bereits im Februar Hilfszahlungen an Südafrika eingefroren. Erst vergangene Woche hatte Trump rund 60 weiße Südafrikaner als "Flüchtlinge" in den USA aufgenommen.
Ramaphosa, der im vergangenen Jahr wiedergewählte Parteivorsitzende des mächtigen African National Congress (ANC), hatte zuvor ein umstrittenes Gesetz unterzeichnet, das es der Regierung in Pretoria erlaubt, Land zu beschlagnahmen – allerdings erst nach Zahlung einer "gerechten und angemessenen" Entschädigung, die nur in absoluten Ausnahmen entfallen kann. Diese Ausnahmen beziehen sich allerdings nicht auf die Ethnie der Eigentümer, sondern vor allem auf ein öffentliches Interesse. Das überwiege zum Beispiel, wenn der Landbesitzer das Land nicht landwirtschaftlich nutzt, sondern nur zur Wertsteigerung hält. Bislang wurde das Gesetz aber nicht ein einziges Mal angewendet. Ein Fakt, den Trump freilich ausließ und stattdessen behauptete: "Sie erlauben ihnen, Land zu nehmen. Und wenn sie das Land genommen haben, töten sie die weißen Farmer."
Während des rassistischen Apartheid-Regimes zwischen 1948 und 1994 haben weiße Südafrikaner einen Großteil des Landes unter sich aufgeteilt. Daran hat sich seitdem wenig geändert. Die sieben Prozent Afrikaander, wie man die Nachfahren weißer Kolonialisten vor allem aus den Niederlanden und Deutschland nennt, besitzen rund 70 Prozent des Privatlandes. Bis heute ist der Lebensstandard der Afrikaander wesentlich höher als der von Schwarzen. Sie bekleiden trotz ihrer geringen Zahl fast zwei Drittel der Führungspositionen. Auch dieser Ungleichheit will die Regierung unter anderem mit quotenähnlichen Regelungen beikommen.
Was hat es mit Trumps angeblichem Beweisvideo auf sich?
Bei den Filmaufnahmen handelt es sich um eine Montage mehrerer Szenen.
Als Beleg für die angeblich aggressive, rassistische Enteignungspolitik der südafrikanischen Regierung sind darin vor allem Ausschnitte verstörender Reden und Interviews mit Julius Malema zu sehen. Der Mann mit Vorliebe für rote Baretts ist der Chef der linksradikalen Partei "Economic Freedom Fighters" (EFF). Er steht wegen rassistischer und gewaltverherrlichender Aufrufe massiv in der Kritik – auch in Südafrika – und sang bei Auftritten ein altes, während der Apartheid populäres Lied, in dem vom Erschießen der Buren (alte Bezeichnung für weiße Südafrikaner) die Rede ist. Das Oberste Berufungsgericht erlaubte Malema die Verwendung des Liedes. Ein "angemessen informierter Mensch" wüsste den Text nicht wörtlich zu nehmen.
Die EFF wurde bei den Wahlen 2024, bei denen der jahrzehntelang tonangebende ANC das erste Mal die absolute Mehrheit verlor, zwar viertstärkste Kraft, spielte aber wegen ihres teils extremen Programms keine Rolle in der Koalitionsbildung. Im Gegensatz zur traditionell weiß geprägten Demokratischen Allianz.
Außerdem sollen laut Trump Luftaufnahmen von einer zu beiden Seiten mit weißen Kreuzen gesäumten Straße Gräber von mehr als 1000 ermordeten weißen Farmern zeigen. Laut Recherchen der "New York Times" handelt es sich dabei aber nicht um Gräber, sondern um Mahnmale.
Weitere Quellen: CNN; BBC; "Politifact".