Am 4. Mai 2009 wohnte die (Online-)Welt einer Premiere bei, deren Folgen wohl niemand absehen konnte: Donald Trump setzte seinen ersten Post bei Twitter ab. Der Inhalt: Ein Hinweis auf einen Auftritt seiner Person bei Show-Legende David Letterman. Der letzte Tweet wiederum wurde am 8. Januar veröffentlicht. Der scheidende US-Präsident gab bekannt, dass er nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden teilnehmen werde. Danach: nichts mehr.
Twitter hat den Account Trumps einige Tage nach dem Sturm von dessen Anhängern auf das Kapitol dauerhaft deaktiviert, keiner der Tweets ist noch abrufbar. Dazwischen: mehr als 56.000 Posts und Retweets, ohne Leerzeichen mehr als 5.800.000 Zeichen.
Ging es ab 2009 zunächst eher dümpelnd los, setzte Trump in Spitzenzeiten Tweets im dreistelligen Bereich ab. Vor seiner politischen Laufbahn drehten sich die Posts häufig um seine Erfolgs-Show "The Apprentice". Der Tag mit den meisten Tweets, der 5. Januar 2015, fiel in diese Zeit. Später waren unter anderem die zwei Wahlkämpfe 2016 und 2020 Zeiten mit einem erhöhten Ausstoß, wie die untenstehende Übersicht zeigt.
Grafik I: Alle Tweets von Donald Trump in einer Übersicht
Hinweise zur Nutzung: Die untenstehende Grafik enthält alle erfassten Tweets und Retweets des Accounts @realdonaldtrump seit dessen Eröffnung. Jedes kleine blaue Rechteck steht für einen Tweet, jedes orangefarbene für einen Retweet. Sie können den Zeitraum mit dem Schieberegler nach Wunsch eingrenzen oder per Klick auf das Datum bestimmte Start- und Endtage wählen - je kleiner das Zeitfenster, desto übersichtlicher wird die Ansicht. Datenquelle ist das "Trump Twitter Archive", das alle Tweets und Retweets (auch von Trump oder Twitter gelöschte) sammelt und in einer externen Datenbank ablegt. Um den Inhalt eines Tweets zu sehen, fahren Sie mit der Maus darüber, beziehungsweise tippen Sie mit dem Finger darauf. Per Klick auf das Icon unten rechts können Sie in den Vollbildmodus wechseln.
Als Trump nach der verlorenen Wahl im November damit begann, ohne jeden Beleg zu behaupten, die Wahl wäre manipuliert, versah Twitter seine Tweets vermehrt mit Warnhinweisen. Anfang Januar zog der Dienst dann den Stecker. Unter anderem hatte Trump am Tag des Sturms auf das Kapitol geschrieben: "Dies sind die Dinge, die passieren, wenn ein heiliger erdrutschartiger Wahlsieg so unehrenhaft und bösartig großartigen Patrioten weggenommen wird, die so lange schlecht und unfair behandelt wurden. Geht heim mit Liebe und Frieden. Erinnert diesen Tag für immer".
Worüber Trump getwittert hat
Mit Twitter hat Trump sein wichtigstes Sprachrohr verloren. Über den Dienst konnte er jahrelang unmittelbar mit seiner Anhängerschaft kommunizieren, seine Botschaften vorbei an klassischen Medien und offiziellen Regierungskanälen in die Welt schrei(b)en. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Wer ihm nicht passte, der wurde hart abgekanzelt und mitunter schlimm und recht unpräsidential beleidigt. Der Zorn traf nicht nur politische Gegner. Auch Mitstreiter, die in Ungnade fielen, bekamen ihr Fett weg. Über seinen zeitweilig engsten Berater Steve Bannon schrieb Trump nach dessen Rausschmiss, dieser sei "schlampig", hätte geweint und um seinen Job gefleht. Sein ehemaliger Außenminister Rex Tillerson wiederum sei "dumm wie ein Stein". Als letztes traf es seinen eigenen Vize Mike Pence. Mehr als 200 Personen aus Politik, Sport, Medien oder Showbusiness wurden insgesamt Ziel des präsidialen Zorns.
967 Mal regte er sich per Tweet über "Fake News" auf, 583 Mal skandierte er "Make America great again". Den abkürzenden Hashtag #maga hängte er 477 Mal an. Insgesamt rund 300 Mal schrieb Trump über "loser" oder "losers". Über "Sleepy Joe Biden" ließ sich Trump 94 mal aus, über "Crooked Hillary" - mit Bezug auf Hillary Clinton, seine Konkurrentin von 2016 - sogar 372 Mal. Das von Trump am häufigsten getwitterte Wort - abgesehen von Bindewörtern, Pronomen oder anderen besonders häufig vorkommenden Begriffen - ist "great", knapp gefolgt von seinem Nachnamen. Er setzte fast 33.000 Ausrufezeichen, gern jedoch mehr als eines pro Satzende. Der Rekord liegt bei 15 Stück in einer Reihe. Mit dem betreffenden Tweet bekundete er sein Missfallen über die Oscar-Verleihung 2014.
Die meisten Retweets und Likes erreichte die Bekanntgabe, dass der Präsident und die First Lady sich mit dem Coronavirus infiziert hatten. Mehr zu Verbreitung und Gefallen der präsidialen Posts können sie der unten angeführten Datenbank entnehmen.
Grafik II: Alle Tweets von Donald Trump in der durchsuchbaren Datenbank
Hinweise: Die untenstehende Datenbank enthält alle erfassten Tweets von Donald Trumps Privataccount. Sie können sie nach Stichwörtern, beispielsweise "loser" oder Namen, etwa Joe Biden, durchsuchen. Per Klick auf die jeweilige Spalte können Sie die Übersicht nach Datum, Likes oder Retweets sortieren. Sie ist nach Retweets vorsortiert:
Nach mehr als elf Jahren ist @realdonaldtrump nun auf Twitter verstummt. Zur Wahrheit gehört wohl auch, dass Twitter einen seiner für den Aktienkurs des Unternehmens wichtigsten User rausgeschmissen hat. Der Account hatte zuletzt fast 90 Millionen Follower, durch Trump war Twitter häufig erstes Medium für Mitteilungen von Entscheidungen aus dem Weißen Haus. Dies dürfte sich unter seinem Nachfolger Joe Biden sicher wieder ändern.
Ersatz für sein wichtigstes Verlautbarungsorgan zu finden, dürfte indes für den scheidenden Präsidenten Trump schwer werden. Auch Facebook hat ihn zunächst temporär auf seinen Diensten gesperrt, Youtube zumindest für eine Woche ebenso. Eine Alternative könnte zwar der bei seinen Anhängern beliebte Dienst Parler sein, allerdings ist das Netzwerk derzeit nicht erreichbar: Als Folge der Vorfälle im Kapitol hat Hoster Amazon Parler von seinen AWS-Servern geschmissen, Apple und Google entfernten den Dienst aus ihren App-Stores. Offenbar zieht Trump nun den Aufbau einer eigenen Plattform in Betracht.
Quelle: "Trump Twitter Archive" (Daten)