Präsidentschaftswahl Ein umstrittener Milliardär, Ex-Geheimdienstler, eine Professorin – Tschechien hat die Wahl

Andrej Babis geht voraus und hinter ihm seine Frau Monika Babisova
Der ehemalige Premierminister von Tschechien Andrej Babis – hier mit seiner Frau Monika – kandidiert nun für das Amt des Präsidenten
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In Tschechien beginnt die Präsidentschaftswahl. Das Rennen dürfte knapp werden und eine Stichwahl folgen. Die drei Favoriten: der umstrittene Ex-Regierungschef und Milliardär Andrej Babis, der Ex-General Petr Pavel und die Ökonomin Danuse Nerudova. 

Für Andrej Babis begann die Woche gut. Ein Gericht in Prag sprach den ehemaligen Regierungschef und Multimilliardär am Montag vom Vorwurf des Subventionsbetrugs mit EU-Geldern frei. Und das wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in Tschechien, bei der Babis für das Amt kandidiert. Seine Chancen stehen dabei nicht schlecht. Insgesamt stellen sich acht Kandidaten zur Wahl, darunter eine Frau. Der 68-jährige Babis zählt zu den drei Favoriten.

Laut Umfragen wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Um zu gewinnen, müsste jemand die absolute Mehrheit erreichen. Danach sieht es aktuell nicht aus. Die zweitägige Wahl, die an diesem Freitagnachmittag beginnt, dürfte ziemlich sicher in einer Stichwahl am 27. und 28. Januar enden. 

Gewählt wird ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Milos Zeman. Er darf nach zwei Wahlperioden nicht noch einmal kandidieren. Gesundheitlich ist der 78-Jährige, der von sich behauptet, täglich sechs Gläser Wein und drei Schnäpse zu trinken, angeschlagen. Sein labiler Zustand war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema – in den Medien und in der Politik. 

Milos Zeman, Präsident von Tschechien, kurz vor seiner Weihnachtsansprache. Er sitzt an einem Tisch vor einem Weihnachtsbaum
Ein Mann mit Trink- und Machtlust: Milos Zeman, Staatspräsident der Tschechischen Republik
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Sein Amt übte Zeman mit einer gewissen Willkür aus. Er testete die Grenzen seiner Rolle aus. Eigentlich ist diese vor allem zeremonieller Natur, ganz ohne Macht allerdings auch nicht: Der Staatspräsident der Tschechischen Republik ernennt die Regierung, bestimmt den Chef der Zentralbank sowie die Verfassungsrichter und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Zeman pflegte freundschaftliche Beziehungen zu Wladimir Putin, wandte sich jedoch nach der russischen Invasion in der Ukraine von Putin ab und bezeichnete ihn als Verrückten.

Präsidentschaftswahl in Tschechien: Wie soll die Unterstützung für die Ukraine weitergehen? 

Die Ukraine war eines der großen Themen in diesem Wahlkampf. Die Unterstützung für das Land ist in der tschechischen Bevölkerung nach wie vor groß. Es gibt viele Berührungspunkte und viel Solidarität. Nicht zuletzt, weil schon in den Jahren vor dem russischen Angriffskrieg zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer nach Tschechien gekommen waren. Beim Zensus 2021 lag der Ausländeranteil in Tschechien bei 4,7 Prozent, die ukrainische Staatsbürgerschaft war dabei mit 1,4 Prozent am häufigsten verbreitet. 

Tschechien war das erste Land, das nach Kriegsausbruch Waffen in die Ukraine lieferte. Die Bevölkerung sammelte zudem Geld für einen Panzer und die satirische Annexion des russischen Kaliningrad durch die Tschechische Republik wurde zum viralen Hit – sogar der nationale Wetterbericht machte mit.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Zehntausende demonstrierten im Herbst auf dem Wenzelsplatz in Prag, laut offiziellen Angaben 70.000 Menschen. "Die Tschechische Republik an erster Stelle" war ihr Motto, das Ende der Ukraine-Politik der Regierung eine Forderung. Die tschechische Wirtschaft strauchelt, die Inflationsrate lag auf das gesamte vergangene Jahr gerechnet bei 15,1 Prozent. Die Inflation war entsprechend ebenfalls Thema in diesem Wahlkampf. 

Was die Haltung zur Ukraine angeht, fiel Ex-Premier Babis durch Lavieren auf. Er äußerte sich mit vagen Sätzen wie diesem: "Wir sollten unsere Hilfe mit den EU- und NATO-Ländern koordinieren." Bei der Haltung zur Ukraine ordnet der Tschechische Rundfunk Babis bei den vier Kandidaten ein, die sich entweder weigern, der Ukraine zu helfen, oder keine konkreten Antworten geben. 

Der umstrittene Ex-Premier Andrej Babis 

Diese Vagheit, der Vorwurf, Opportunist und Populist zu sein, heften Babis an. Experten sehen in ihm jedoch keinen Ideologen, sondern vor allem einen Unternehmer. Seine Protestbewegung ANO begann links der Mitte, fischte dann rechts davon. Als er die politische Bühne betrat, bekam er von manchen den Spitznamen Babisconi, ein Berlusconi Tschechiens. Wie der Italiener ist auch Babis Medienmogul. Viktor Orban, der rechte, EU-feindliche ungarische Ministerpräsident, ist ein Freund von Babis. Während seiner Amtszeit als tschechischer Premierminister von 2017 bis 2021 waren wegen der Betrugsvorwürfe teils hunderttausende Menschen gegen ihn auf die Straße gegangen.  

Die tschechische Zeitung "Hospodarske noviny" ließ nach Babis' Freispruch Anfang der Woche kein gutes Haar an ihm: dass er aus strafrechtlicher Sicht unschuldig ist, bedeute nicht, dass er in den Augen der meisten Menschen in jeder Hinsicht rein wie eine Lilie erscheint. Von einem "kolossalen Interessenkonflikt als Unternehmer und Politiker" und "seinem Missbrauch der eigenen Medien für seine Wahlkampagnen" war die Rede. Und das ist nur ein Ausschnitt. 

Der Ex-General Petr Pavel und seine Vergangenheit als Geheimdienstler

Babis stand in diesem Wahlkampf auch wegen seiner kommunistischen Vergangenheit als angeblicher Geheimdienstler in der Kritik. Er bestreitet die Zusammenarbeit – obwohl die zuständige Unterlagenbehörde eine Fälschung der Akte für unwahrscheinlich halte, wie "Die Zeit" schreibt. Mit dieser Kritik rund um seine Vergangenheit war Babis allerdings nicht allein in diesem Wahlkampf.  

Konkurrent Petr Pavel hat ebenfalls mit derartigen Vorwürfen zu kämpfen. Er steht dazu und zeigt Reue. Wie "Die Zeit" berichtet, ließ sich Pavel 1989 für den Einsatz im militärischen Nachrichtendienst vorbereiten. Die Ausbildung hätte ihn demnach zum Diplomaten in Uniform der kommunistischen Tschechoslowakei befähigt und zur verdeckten Spionage im Ausland. Heute bezeichnet er seine Vergangenheit als Fehler. 

Petr Pavel, Kandidat für die Präsidentschaftswahl in Tschechien, spricht mit Journalisten
Ex-General Petr Pavel ist einer der Favoriten bei der Präsidentschaftswahl in Tschechien
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Pavel machte Karriere beim Militär. Der Ex-General leitete von 2015 bis 2018 den Militärausschuss der Nato. Als hochdekorierter Elite-Fallschirmjäger half er einst, französische Truppen aus serbisch-kroatischem Kriegsgebiet zu befreien. Der 61-Jährige wirbt damit, die "Ordnung wiederherzustellen" und Tschechien mit Ruhe und Erfahrung zu führen. Er spricht sich eindeutig für die Fortsetzung der diplomatischen, finanziellen und militärischen Hilfen für die Ukraine aus. 

Danuse Nerudova wäre die erste Frau in diesem Amt

Und dann ist da noch Danuse Nerudova, die Dritte im Bunde der Favoriten bei dieser Präsidentschaftswahl in Tschechien. Sie ist mit 44 Jahren die Jüngste der insgesamt acht Kandidaten. Und sie ist die einzige Frau. Sollte sie gewinnen, wäre sie die erste Präsidentin des Landes.

Danuse Nerudova, Kandidatin für die Präsidentschaftswahl in Tschechien. Sie wäre die erste Frau in diesem Amt. 
Danuse Nerudova, Kandidatin für die Präsidentschaftswahl in Tschechien. Sie wäre die erste Frau in diesem Amt. 
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Nerudova ist Professorin für Volkswirtschaftslehre und war von 2018 bis 2022 Rektorin der Universität in ihrer Heimatstadt Brünn, der zweitgrößten Stadt Tschechiens. Ihr Wahlkampf spielte sich überwiegend in den sozialen Netzwerken ab. Sie setzt vor allem auf junge Wählerinnern und Wähler. Und sie verspricht, "das Ego hinten anzustellen" und "mit allen Gruppen von Menschen zu sprechen". Tschechien müsse ein modernes Land werden, in dem jeder eine Chance auf Erfolg habe. Wie auch Petr Pavel ist sie klar für weitere Hilfen für die kriegsgebeutelte Ukraine. 

Allerdings haftet auch der Wissenschaftlerin ein Skandal an: An der Universität Brünn sollen ausländische Studierende gegen Agenturgebühren Titel im Schnellverfahren erhalten haben, berichtet "Die Zeit". Das habe laut Medienberichten eine Untersuchung der tschechischen Uni-Akkreditierungsbehörde ergeben. Nerudova schiebe die Verantwortung dafür auf die Dekane der betroffenen Fakultäten. 

Acht Kandidaten, drei Favoriten, verstrickte Vergangenheiten, eine angespannte wirtschaftliche Lage – es wird ein spannendes Wahlwochenende in Tschechien. Ergebnisse werden am Samstagabend erwartet. 

Quellen: Cesky RozhlasDeutsche Welle (I), Deutsche Welle (II), Die Zeit, Radio Prague International (I), Radio Prague International (II) taz, mit Material von AFP und dpa