In dem seit Monaten andauernden Kampf um die Stadt Bachmut hält die ukrainische Armee nach eigenen Angaben weiterhin den Angriffen der russischen Invasoren stand. Der ukrainische Generalstab erklärte am Sonntagmorgen, am Vortag seien "mehr als 130 feindliche Angriffe" abgewehrt worden, insbesondere in Bachmut, Kupjansk, Lyman und Awdijiwka. Armeesprecher Sergej Tscherewaty versicherte, die Lage in der ostukrainischen Industriestadt Bachmut sei "schwierig, aber unter Kontrolle".
Nach den Worten des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Resnikow gelingt es der ukrainischen Armee sogar, den russischen Kämpfern in Bachmut schwere Verluste zuzufügen. "Die Verluste der Russen belaufen sich jeden Tag auf bis zu 500 Gefallene und Verletzte", sagte Resnikow der "Bild am Sonntag".
Bachmut ist seit vergangenem Sommer umkämpft. Am Wochenende dauerten die Gefechte weiter an. "Der Feind setzt seine Versuche fort, Bachmut zu umzingeln", erklärte der ukrainische Generalstab und verwies auf die abgewehrten Angriffe dort und in anderen ostukrainischen Städten.
Resnikow hob hervor, dass eine Einnahme Bachmuts durch Russland kaum strategische Auswirkungen hätte. "Wenn sie Bachmut einnehmen, wird das nichts für den Donbass bedeuten", sagte er der "Bild am Sonntag". Die Stadt sei vielmehr ein "symbolischer Ort" für Moskau.
Experten: Bachmut lässt sich nicht einkesseln
Angesichts des Einsatzes der privaten Söldnergruppe Wagner im Kampf um Bachmut sprach Resnikow von einer "Art Wettbewerb zwischen verschiedenen Kreml-Türmen". Der Verteidigungsminister fügte hinzu, Russland verfolge in Bachmut eine "Taktik des Fleischwolfs", dabei seien "Soldaten nur Kanonenfutter".
Nach Einschätzung des in den USA ansässigen Institute for the Study of War (ISW) wird sich die ukrainische Armee in Bachmut voraussichtlich nicht einkesseln lassen. Das Oberkommando habe "signalisiert, dass es wahrscheinlich eher abzieht als eine Umzingelung zu riskieren", erklärte das ISW.

Sehen Sie im Video: Schwere Kämpfe – ukrainische Truppen in Bachmut weiter unter Druck.
Am Freitag hatte der Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, gesagt, seine Einheiten hätten Bachmut "praktisch umzingelt". Es sei nur noch "eine Straße" zu erobern.
Prigoschin zeigt sich regelmäßig mit seinen Söldnern an der Front. Den Generälen der russischen Armee wird hingegen vorgeworfen, die Kampfgebiete zu meiden.
Russischer Verteidigungsminister besucht die Front
Am Samstag veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium jedoch ein Video von Ressortchef Sergej Schoigu an der Frontlinie in der Ostukraine. Er habe einen "Kommandoposten" im Süden der Region Donezk inspiziert, erklärte das Ministerium, ohne den genauen Ort und das Datum des Besuchs zu nennen.
In dem Video war Schoigu in einem Hubschrauber, vor beschädigten Gebäuden mit einem Soldaten sprechend und bei der Auszeichnung von Kämpfern zu sehen. Dabei trägt der Minister weder Helm noch kugelsichere Weste.
Schoigu traf auch für die Ukraine-Offensive verantwortliche Militärs, darunter Generalstabschef Waleri Gerassimow. Nach Einschätzung des ISW wollte Schoigu wahrscheinlich in Erfahrung bringen, wie groß die russischen Verluste rund um die 150 Kilometer südwestlich von Bachmut gelegene Stadt Wuhledar sind und ob eine weitere Offensive in diese Richtung möglich ist.
Ukraine: Tote nach russischem Beschuss bei Cherson
Zugleich meldet Kiew russischen Beschuss der südukrainischen Region Cherson. Dabei sollen ein Wohnhaus getroffen und mindestens drei Menschen getötet worden sein. Die Toten im Dorf Ponjatiwka seien eine Frau und zwei Kinder, schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Andrij Jermak, am Sonntag auf Telegram. "Russische Terroristen töten weiterhin Zivilisten", schrieb Jermak hinzu.
Russland führt seit mehr als einem Jahr einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Im vergangenen Herbst hatte die ukrainische Armee große Teile des Chersoner Gebiets von den russischen Besatzern zurückerobert. Seitdem gibt es regelmäßig Berichte über heftigen Beschuss durch die russischen Truppen, die in nur geringer Entfernung auf der anderen Seite des Flusses Dnipro stationiert sind.
Unterdessen teilte der ukrainische Zivilschutz mit, dass die Zahl der Todesopfer nach einem schweren Raketenangriff in der Großstadt Saporischschja in der Nacht zum vergangenen Donnerstag mittlerweile auf 13 gestiegen sei. Aus den Trümmern des fünfstöckigen Gebäudes war zuvor auch ein acht Monate altes Mädchen tot geborgen worden.
Die Ukraine wirft Russland vor, seit Beginn seiner Invasion vor einem Jahr schwere Kriegsverbrechen begangen zu haben. Das Kabinett in Kiew billigte am Samstag eine mit dem Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) getroffene Vereinbarung, welche die baldige Eröffnung eines Büros der IStGH-Staatsanwaltschaft in der Ukraine ermöglicht. Dies soll die Ermittlungen zu Kriegsverbrechen erleichtern.
Inmitten des Krieges treibt die Ukraine zudem ihre Annäherung an die Europäische Union voran. Staatschef Wolodymyr Selenskyi traf am Samstag im westukrainischen Lwiw EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Sie sprach sich für einen Beginn der EU-Beitrittsgespräche mit Kiew noch in diesem Jahr aus. Auf dieses Ziel arbeite auch seine Regierung hin, erklärte Selenskyj auf Twitter.