Wie kann Russland die Verteidigung der Ukraine finanzieren?
Seit Kriegsbeginn sind russische Vermögenswerte in Europa eingefroren, sie gehören vor allem der russischen Zentralbank. Ursprünglich waren sie als Staatsanleihen westlicher Länder angelegt, wurden dann fällig und zurückgezahlt. 140 Milliarden Euro liegen auf Konten des Finanzinstituts Euroclear, einer Abwicklungsgesellschaft für Wertpapiere in Belgien. Bislang werden der Ukraine nur Zinsen überwiesen. Nach einem Plan der EU sollte das Geld vollständig der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, damit sich das Land auch weiterhin gegen die russischen Angreifer verteidigen und europäische Waffen kaufen kann.
So sollte vor allem die Finanzhilfe aus Washington ersetzt werden, die Donald Trump gestoppt hatte. Das russische Vermögen sollte jedoch keineswegs konfisziert werden, darauf besteht die EU-Kommission. Der Ukraine sollte es als sogenannte "Reparationsanleihe" zur Verfügung gestellt werden. Kiew müsse das Geld also nur zurückzahlen, wenn Russland Reparationszahlungen leistet, etwa nach einem Friedensdeal. Moskau erhielte die eingefrorenen Vermögenswerte dann zurück. So wollten die Europäer rechtliche Bedenken entkräften: Niemand würde enteignet, das russische Vermögen bliebe erhalten. Der Ausgangspunkt der Idee war natürlich optimistisch – und ein wichtiges Problem verschoben: Wenn es keine Reparationszahlungen gibt, sollten entweder die Europäer langfristig russische Ansprüche begleichen. Oder das Geld würde doch noch konfisziert.
Welche Bedenken gab es auf dem EU-Gipfel?
Kritiker werfen ein, die Pläne gefährden Europas Ruf als zuverlässiger Finanzpartner. Ausländische Großinvestoren, etwa aus dem arabischen Raum, könnten um ihre Vermögen in Europa fürchten und ihr Geld abziehen. Besonders Belgien meldete Bedenken und blockierte. Ministerpräsident Bart de Wever fürchtet, Belgien würde in den Fokus russischer Rache rücken: Ein großer Teil der eingefrorenen russischen Vermögen liegt im belgischen Finanzinstitut Euroclear.
Wie reagiert Russland darauf?
Moskau hatte vor dem EU-Gipfel bereits mit einer "schmerzhaften Reaktion" gedroht. Marija Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, sprach von "Diebstahl". Der belgische Ministerpräsident Bart De Wever erklärte: "Wenn sie Putins Geld wegnehmen, wird er unser Geld wegnehmen." Das fürchten auch deutsche Firmen. Ausländische Unternehmen, die ihre Fabriken in Russland nach Beginn des russischen Angriffskrieges verkauft hatten, mussten die Erlöse auf ein russisches Sperrkonto zahlen. Darauf haben die Unternehmen nur begrenzt Zugriff.
Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer warnte, der Schritt könne auch Folgen für deutsche Unternehmen haben. Mehr als 100 Milliarden Euro seien in Gefahr. Es gehe um den Wert deutscher Fabriken und Ladenketten. Betroffen seien aber auch Unternehmen in den Bereichen Energie, Pharma und Haushaltsgeräte, die Moskau unter Fremdverwaltung gestellt habe. Russland hat beispielsweise die Kontrolle über die russischen Tochtergesellschaften der deutschen Energiefirmen Uniper und Wintershall übernommen. "Deutschland hat wie kein anderes Land in Russland investiert", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp. "Es hat deshalb bei der geplanten Nutzbarmachung russischer Zentralbankgelder für Waffenkäufe zugunsten der Ukraine am meisten zu verlieren."
Ist der Plan gescheitert?
Eigentlich war eine klare Entscheidung erwartet worden. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte vor drei Wochen noch die Erwartung geäußert, es werde beim Gipfel "aller Voraussicht nach dazu eine konkrete Entscheidung geben". Nun wurde die EU-Kommission lediglich damit beauftragt, so bald wie möglich einen Vorschlag vorzulegen, um neue Optionen für die Ukraine zu finden. Von der Nutzung der russischen Vermögen war in dem Beschluss nicht einmal mehr die Rede. Der jetzige Beschluss ist nur ein erster Schritt in diese Richtung und nicht das erwartete starke Signal an Russland. Eine Entscheidung könnte spätestens auf dem EU-Gipfel im Dezember fallen, sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters. Auf Dringen Belgiens hin soll die Kommission auch mögliche andere Optionen erarbeiten, wie der Finanzbedarf der Ukraine für die Jahre 2026 bis 2027 gedeckt werden könnte.