Der Wunsch der Ukraine nach Kampfflugzeugen aus Deutschland zielt nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling nicht darauf, dass tatsächlich deutsche Jets geliefert werden – sondern dass die Bundesregierung die Nicht-Lieferung an anderer Stelle kompensiert. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", Tornados und Eurofighter der Bundeswehr seien aus verschiedenen Gründen wenig geeignet. "In der Sache haben wir keine sinnvollen Kampfflugzeuge anzubieten", betonte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Den Wunsch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba nach Jets aus Deutschland halte er für "den Versuch, hier ein Pfund in die Verhandlungen zu kriegen". Kulebas Kalkül sei, wenn Deutschland nicht liefere, "kriege ich für die Kampfflugzeuge was anderes". Mölling schloss aus, dass bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die am Freitag eröffnet wird, eine Einigung über die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge erzielt wird. "Hier wird kein großer Durchbruch kommen und auch nicht verkündet werden", sagte er. Dies entspreche nicht dem Charakter der Konferenz und würde zudem "ja auch die formalen Formate innerhalb der Nato delegitimieren".
Sicherheitsexperte rechnet mit weiteren harten Kämpfen
Mölling machte deutlich, dass er in der nächsten Zeit harte Kämpfe in der Ukraine erwartet. "Jetzt gibt es für ein paar Wochen die Gelegenheit zu raumgreifenden Operationen", sagte er. Danach seien die aufgetauten Böden schlammig und schwer befahrbar. "Deswegen versuchen jetzt alle, soviel Gelände und Gebiet wie möglich zurückzuholen." Dies bedeute aber nicht, dass sich die Front tatsächlich verschiebe. "Wenn Sie der Intensität des Gegners nichts entgegensetzen, dann ist der auf der Gewinnerstraße." Wenn aber beide Seiten ihre Anstrengungen verstärkten, könne das Ergebnis sein, dass es zwar viel Aktivität gebe, aber wenig Bewegung.
Nato sollte keine präzisen Kriegsziele formulieren
Der Sicherheitsexperte lehnte es ab, dass die Nato klare Ziele für den Ausgang des Krieges in der Ukraine benennt, wie es der ehemalige Spitzendiplomat und Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, gefordert hatte. "Es hat innerhalb der Nato immer unterschiedliche Kriegsziele gegeben", sagte Mölling. "Die Kunst ist, die Nato als Konsensmaschine zu nutzen und eine Politik festzulegen, auf die sich alle verständigen können." Länder wie Ungarn oder die Türkei hätten ganz andere Ziele als Deutschland und andere Bündnispartner. "Aber das kann die Allianz aushalten."
Hinzu komme, dass es grundsätzlich geboten sei, den "Gegner über genaue Kriegsziele und die Bereitschaft des Mitteleinsatzes immer etwas im Unklaren zu lassen". So sei es falsch, etwa die Rückeroberung der Krim abzulehnen und den Ukrainern zu signalisieren, dass es dafür die westlichen Waffen nicht nutzen könne. "Dann senden Sie eine klare Message an Russland, dass es sich da nicht bedroht fühlen muss." Das Gegenteil aber müsse das Ziel sein: "Sie müssen Ihrem Gegner so viele militärische Dilemmata produzieren, dass er ständig überfordert ist." Zudem würde es die ukrainische Regierung innenpolitisch in eine schwierige Lage bringen, wenn die westliche Unterstützung nicht für die Rückeroberung des gesamten Staatsgebiets genutzt werden könne.