"Die Lage - international" Militärexperte Mölling wirft Westen "Verantwortungsverweigerung" in Ukraine vor

Ukrainische Soldaten feuern eine Haubitze in der Ostukraine ab (Archivbild)
Ukrainische Soldaten feuern eine Haubitze in der Ostukraine ab (Archivbild)
© Ukrinform / DPA
Den Ukrainern geht die Munition an der Front aus - wofür nach Ansicht des DGAP-Forschungsdirektors Christian Mölling insbesondere die europäischen Unterstützer des Landes verantwortlich sind. 

Der Militärexperte Christian Mölling hat dem Westen vorgeworfen, seine Hilfszusagen an die Ukraine nicht zu erfüllen. Der Munitionsmangel der ukrainischen Streitkräfte sei dramatisch, warnte Mölling am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international". "Die Ukrainer können nur noch ganz, ganz wenige Schuss abgeben", sagte er zur Lage an der Front. Statt 10.000 Granaten wie zuvor könnten sie gerade noch 2000 pro Tag verschießen. "Die Ukrainer verlieren jetzt Land." Sie müssten sich zurückziehen, um besser zu verteidigende Positionen zu erreichen. Dies habe gravierende Konsequenzen, denn "was die Ukraine schon zurückerobert hat von ihrem eigenen Land, muss sie jetzt aufgeben und faktisch ein zweites Mal erobern". Dazu brauche sie dann nicht nur Munition, sondern eben auch Menschen. Dies bezeichnete der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik als "absurd". An der Front sei die Lage schon länger jedem klar. Mittlerweile wachse aber auch das Bewusstsein in den westlichen Hauptstädten und in Brüssel. "Bis aber Hilfe kommt, werden wir viele schlimme Bilder sehen, die daher rühren, dass unsere Hilfe nicht ausreicht", sagte er.

Ohne Auftrag wird nichts für Ukraine produziert

Mölling wies die Argumentation von Verteidigungsminister Boris Pistorius zurück, dass insbesondere die Rüstungsindustrie Zeit brauche, um sich auf die neue Lage einzustellen. „Das ist eine ziemlich hilflose Ausrede", sagte Mölling. "Das hatten wir alles schon." Ohne die Regierung und deren Aufträge könne keine Rüstungsproduktion in Gang kommen. "Sie müssen erstmal einen Auftrag haben", sagte er. Es sei bereits viel Zeit verloren worden. Und noch immer fehle in Europa die Bereitschaft, "den Motor anzuschmeißen". Dabei sei es auch im eigenen Interesse nötig, Vorsorge zu treffen. Mölling fragte: "Was passiert, wenn die Ukraine noch weiter destabilisiert wird und damit letztendlich auch die Sicherheit Europas in Gefahr ist?"

Bei aller Kritik an den Bemühungen des Westens verwies Mölling auch darauf, dass das russische Regime vor großen Schwierigkeiten stehe. Für seine Rüstungsanstrengungen brauche es die Hilfe seiner „dunklen Freunde" etwa in Nordkorea und Iran. "Die Frage, wie gut die russische Rüstungsindustrie ist, ist noch nicht entschieden", sagte Mölling.