Mit dem plötzlichen Wintereinbruch in der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bevölkerung auf die besonders schwierige Lage der Soldaten an der Front hingewiesen. Statt der üblichen Berichte über die Lage an den Fronten zwang ein Schneesturm im Süden und Osten des Landes vor einigen Tagen den ukrainischen Staatschef zu dem ungewöhnlichen Thema Wetter in seiner abendlichen Videoansprache.
"Jetzt, wo es so schwierig ist, wo die Bedingungen so schwierig sind, sollten wir alle denjenigen besonders dankbar sein, die die Verteidigung unseres Landes aufrechterhalten", sagte Selenskyj am Sonntagabend. Er nannte dabei vor allem die Soldaten "in den Stellungen, auf Posten und in mobilen Feuerkommandos". Sie alle seien auch unter winterlichen Bedingungen im Einsatz, um "die Ukraine, das Leben unseres Staates und unsere Unabhängigkeit zu schützen". Am Donnerstag reiste Selenskyj deshalb an die Front und zeichnete Soldaten mit Orden aus.
Ein schwerer Schneesturm hatte am Sonntag zunächst die gesamte Schwarzmeerküste der Ukraine erfasst und dort vielerorts für erhebliche Probleme gesorgt. Neben der Stromversorgung in einigen Gebieten brach auch der Straßenverkehr zusammen, während zentrale Landesteile zunächst mit Kälte und Schneeregen zu kämpfen hatten. Auch auf der von Russland besetzten und völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim lähmte der Schneesturm den Verkehr und das öffentliche Leben.
Im Winter des Vorjahres hatten russische Militärs versucht, die ukrainische Bevölkerung mit Luftangriffen gegen die energetische Infrastruktur des Landes unter Druck zu setzen. Die ukrainische Regierung rechnet mit einem ähnlichen Szenario auch in diesem Winter.
Nato geht von enormen russischen Verlusten in der Ukraine aus
US-Experten bezifferten die Verluste der Ukraine im Sommer auf etwa 70.000 bis 120.000, eingrenzen lässt sich das kaum. Obwohl die Ukraine bei der Rückeroberung besetzter Gebiete zuletzt nur wenig vorangekommen ist, geht die Nato aber auch von enormen russischen Verlusten in der Ukraine aus. Nach Einschätzung des Verteidigungsbündnisses hat die Zahl der getöteten oder verwundeten russischen Soldaten mittlerweile die Marke von 300.000 überschritten.
"Militärisch hat Russland einen erheblichen Teil seiner konventionellen Streitkräfte verloren", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach einem Bündnistreffen mit dem ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in Brüssel. Dazu gehörten auch Hunderte Flugzeuge und Tausende Panzer.

Stoltenberg warnte zugleich davor, große Hoffnungen darauf zu setzen, dass die Verluste zu einem schnellen Ende des Kriegs in der Ukraine führen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe eine hohe Toleranzschwelle, was die Opfer angehe, sagte der Norweger. Die russischen Kriegsziele in der Ukraine hätten sich nicht geändert. Kuleba sagte, er sei nach Brüssel gekommen, um den Verbündeten zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Produktion von Waffen, Munition und anderer militärischer Ausrüstung auf breiter Front deutlich zu steigern.
Ukraine gibt Hälfte ihres Staatshaushalts für den Krieg aus
Der langwierige Krieg spiegelt sich jedoch auch in den Staatsausgaben wieder. Am Dienstag hatte Selenskyj den Staatshaushalt für 2024 unterzeichnet. Darin enthalten: Milliardenausgaben für die Rüstung. Der Wehretat von umgerechnet mehr als 40 Milliarden Euro macht demnach rund die Hälfte der Gesamthaushaltsausgaben aus. "Es ist offensichtlich, dass der Schutz gegen die russische Aggression Priorität hat", sagte Selenskyj in seiner am Dienstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Zugleich betonte er, dass die Führung auch die "sozialen Bedürfnisse unserer Menschen berücksichtigen und die gesellschaftlichen Verpflichtungen des Landes erfüllen wird".
Zum Vergleich: Russland plant im Zuge seines Angriffskriegs gegen die benachbarte Ukraine die Erhöhung seines Militärbudgets auf fast ein Drittel des Gesamthaushalts. Der Verteidigungsetat 2024 steigt auf 10,8 Billionen Rubel (etwa 111 Milliarden Euro), fast das Dreifache der ukrainischen Ausgaben. Insgesamt belaufen sich die russischen Haushaltsausgaben im kommenden Jahr auf geplant 36,7 Billionen Rubel (376 Milliarden Euro).