Nach der Sprengung des gigantischen Kachowka-Staudamms in der Südukraine müssen nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling alle Kriegsparteien ihre Pläne ändern. Im stern-Podcast "Ukraine – die Lage" sagte Mölling am Dienstag, zunächst müsse man sich auf ukrainischer Seite nun auf die Evakuierung der Bevölkerung in den bedrohten Gebideten konzentrieren. "Da ist durch die russische Seite ein Stolperstein gesetzt", sagte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik mit Blick auf die militärischen Planungen der Ukraine. Er schränkte aber ein: "Das ist eine Verzögerung, aber keine Verhinderung der Offensive." Von einer "Wende" im Krieg wollte er nicht sprechen.
Russland wahrscheinlich der Urheber
Als "extrem unwahrscheinlich" bezeichnete er es, dass der Damm nicht von russischen Kräften attackiert worden sei. Es spreche alles gegen eine Urheberschaft der Ukraine. "Was hier jetzt passiert, bringt schwere Verwerfungen", sagte er über die Zerstörung an dem Bauwerk, das Milliarden Kubikmeter Wasser staut. "Es fällt aus jedem Maßstab eigentlich heraus, was da passiert ist." Wahrscheinlich werde es viele Tote geben. Hinzu kämen Umweltschäden. Mölling verwies darauf, dass die Ukraine massiv unter Druck ihrer westlichen Partner geraten würde, wenn sie selbst hinter dem Anschlag stehe. Dann würde im Westen gefragt werden, ob eine Führung, die solche Taten begehe, länger unterstützt werden könne. Letzte Gewissheit gebe es aber noch nicht. Möglicherweise sei das Kalkül der russischen Akteure, dass die Verzögerung einer ukrainischen Offensive höher zu bewerten sei als mögliche Nachteile durch eine Beeinträchtigung der Wasserversorgung der Krim.
Angriffe in Belgorod helfen Ukraine
Mölling sagte, die Russen verlören im Moment an Kampfkraft – unter anderem durch den Abzug der Wagner-Söldner. Zugleich beobachtete er "quasi eine Ausweitung der Kampfmittel" auf Seiten der Ukraine durch Freischärler-Gruppen wie sie in der Region Belgorod aktiv seien. Denen gewähre die ukrainische Führung einen gewissen Freiraum; sie könne aber zugleich die Verantwortung für die unabhängig agierenden Kräfte von sich weisen. Letztlich nutze das der Ukraine und führe zu zusätzlichem Chaos bei den Russen.