Der designierte US-Präsident Barack Obama will sich Versuche von Amtsinhaber George W. Bush nicht bieten lassen, in seinen letzten Regierunstagen noch umstrittene Vorhaben zu verwirklichen. John Podesta, Chef von Obamas Übergangsteam, sagte in einem Interview, die Regierung Bush versuche sogar noch in diesen Tagen "aggressiv, Dinge zu tun, die wahrscheinlich nicht im Interesse unseres Landes sind".
Obama werde nach seinem Amtsantritt am 20. Januar zügig mit Hilfe von Präsidentenverfügungen handeln, ohne dabei auf den Kongress warten zu müssen. So will die Bush-Regierung nach Podestas Worten beispielsweise in einem ökologisch sensiblen Gebiet im Staat Utah nach Öl und Gas bohren lassen. "Das ist ein Fehler", sagte Obamas Berater. Auch Umweltschützer haben bereits gegen den Plan protestiert. Auch die von Bush verfügten Beschränkungen bei der Stammzellenforschung, für die sich vor allem Abtreibungsgegner vehement eingesetzt haben, will der designierte Präsident nicht stehen lassen. Obama unterstützt die Forschung, um damit Fortschritte im Kampf gegen Krankheiten wie Alzheimer zu erzielen. Obama wird in dieser Woche erstmals seit seinem Wahlsieg im Weißen Haus mit Bush zusammentreffen. Bush hat seinem Nachfolger eine reibungslose Machtübergabe zugesichert und versprochen, Obama vollständig über alle Entscheidungen zu informieren, die er bis zum 20. Januar noch treffen wird.
Steinmeier rechnet mit Guantánamo-Schließung
Obama wird nach Ansicht von Außenminister Steinmeier das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba nach seinem Amtsantritt schließen. Dies sei seine feste Überzeugung, sagte er am Sonntagabend bei einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin. Die meisten der in dem Lager seit Jahren unter Terrorverdacht einsitzenden Häftlinge, die nicht verurteilt wurden, könnten mit einiger Sicherheit in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Bei anderen, denen in ihrer Heimat Verfolgung drohe, sei dies wahrscheinlich nicht möglich. Er rechne damit, dass die USA mit Deutschland und anderen Verbündeten das Gespräch über eine mögliche Aufnahme dieser Personen suchen werden, fügte Steinmeier hinzu.
In der Außenpolitik hat Obama seine Kontakte verstärkt und mit mehreren Staats- und Regierungschefs telefoniert. Der russische Präsident Dmitri Medwedew gratulierte Obama nach Angaben des Kremls zu seiner Wahl und regte ein rasches Treffen an. Gemeinsam wolle man an den russisch-amerikanischen Beziehungen arbeiten, hieß es in der Erklärung weiter. In dem Telefonat mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski ging es auch um das umstrittene Raketenabwehrsystem der USA. Obama und Medwedew hätten den Wunsch nach einer konstruktiven Zusammenarbeit geäußert, um sich gemeinsam für die weltweite Stabilität und Entwicklung einzusetzen, erklärte der Kreml. Beide Länder hätten eine Verantwortung, ernsthafte Probleme globaler Natur anzugehen.
Streit um Raketenabwehrsystem
Zu den strittigen Themen gehören vor allem die Ausweitung der NATO auf osteuropäische Staaten und der Aufbau eines Raketenabwehrsystems der USA in Polen und Tschechien. Russland lehnt dies vehement ab und betrachtet es als Bedrohung der eigenen Sicherheit. Medwedew hat angekündigt, Kurzstreckenraketen in der Exklave Kaliningrad (Königsberg) zu stationieren. Wann Obama und Medwedew zusammenkommen, ist noch unklar.
Obamas außenpolitischer Berater Denis McDonough erklärte, Obama habe "ein gutes Gespräch" mit Kaczynski geführt. Darin sei es um die amerikanisch-polnische Zusammenarbeit gegangen. Zum Raketenabwehrsystem habe Obama keine Zusagen gemacht. "Seine Haltung ist wie schon im Wahlkampf, dass er ein Raketenabwehrsystem unterstützt, wenn die Technologie sich als einsatzbereit erwiesen hat", sagte McDonough. Dagegen erklärte der polnische Präsident zunächst in einer Stellungnahme, Obama habe die Bedeutung der strategischen Partnerschaft beider Länder betont. "Er sagte auch, dass das Raketenabwehr-Projekt fortgesetzt wird." Später ruderte ein Mitarbeiter Kaczynskis wieder zurück. Obama habe keine Erklärung zur Raketenabwehr abgegeben, sagte er. Gründe für die Diskrepanz zu den früheren Aussagen wurden nicht genannt.