US-Raketen auf Bagdad "Dynamitstange im Pulverfass": Was der US-Militärschlag im Irak für Folgen haben kann

Ghassem Soleimani
Ghassem Soleimani (M.), Anführer der iranischen Al-Kuds-Brigaden, starb bei einem US-Raketenangriff nahe des Flughafens in Bagdad
© Office of the Iranian Supreme Leader via AP / DPA
Nach dem US-Raketenschlag in Bagdad, bei dem der hochrangige iranische General Ghassem Soleimani getötet wurde, ist die Region in Aufruhr. Irans oberster Führer droht den USA schwere Rache an. Die Folgen der Attacke sind kaum vorhersehbar.

Die Raketen schlagen in der Nacht auf Freitag am Flughafen von Bagdad ein und treffen ihr Ziel mit tödlicher Präzision. Bei dem US-Angriff in der irakischen Hauptstadt stirbt der iranische General Ghassem Soleimani, einer der einflussreichsten Militärs seines Landes und Anführer der gefürchteten Al-Kuds-Brigaden der Revolutionsgarden. Tausende Kilometer entfernt twittert US-Präsident Donald Trump, der die Tötung angeordnet hat, wenig später kommentarlos eine US-Flagge. Eine Geste des Triumphs. Doch die Folgen der Militäraktion gegen den Erzrivalen sind kaum vorhersehbar.

Die Spannungen zwischen Washington und Teheran, die sich zuletzt im Brennpunkt Irak fokussiert hatten, sind nun vollends eskaliert. Der Iran dürfte die Tötung des in seiner Heimat als Helden gefeierten Generals nicht ohne Gegenreaktion hinnehmen. Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei drohte bereits "schwere Vergeltung" an.

Trump, der US-Soldaten eigentlich aus Konfliktschauplätzen abziehen will, riskiert nun im Nahen Osten eine schwere militärische Auseinandersetzung mit dem mächtigen Gegner Iran. 

Analysten sind fassungslos

Analysten sind fassungslos. "Ein Präsident, der versprochen hat, die Vereinigten Staaten nicht in einen neuen Krieg im Nahen Osten zu führen, hat faktisch gerade eine Kriegserklärung abgegeben", sagt der Chef der Denkfabrik International Crisis Group, Robert Malley. Soleimanis Tod sei nicht nur ein schwerer Schlag für den Iran - sondern auch ein schwerer Schlag für jede Hoffnung auf eine Deeskalation in der Region.

Der Iran-Experte Philip Smyth prophezeit, die Tötung des Generals werde größere Auswirkungen haben als die Tötungen von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden 2011 und von IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi im vergangenen Jahr.

Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran hatte sich in den vergangenen Tagen im Irak verschärft. Pro-iranische Demonstranten hatten am Dienstag die US-Botschaft in Bagdad gestürmt, nachdem die USA bei Luftangriffen auf die vom Iran unterstützten Hisbollah-Brigaden 25 Kämpfer getötet hatten.

Washington gab Teheran die Schuld an der Erstürmung der Botschaft. Erst am Donnerstag warnte US-Verteidigungsminister Mark Esper mit Vergeltung, sollte es weitere Attacken geben. Und dann schlugen die USA unvermittelt zu.

Pentagon nennt Raketenschlag eine "defensive" Maßnahme

Nach Soleimanis Tötung erklärte das Pentagon, es habe sich um eine "defensive" Maßnahme zum Schutz von US-Diplomaten und Soldaten im Ausland gehandelt. Soleimani habe "aktiv" Pläne für Angriffe auf US-Personal vorangetrieben. Außerdem seien er und seine Brigaden für den Tod hunderter Soldaten der US-Armee und verbündeter Staaten verantwortlich.

Soleimani hatte nicht nur die für Auslandsmissionen zuständigen Al-Kuds-Brigaden angeführt. Der gewiefte Stratege war auch der starke Mann Teherans im Irak, mischte in der Regierungsbildung in Bagdad mit - und sicherte sich über schiitische Milizen großen Einfluss im Nachbarland. Jene Milizen, die in den Jahren nach dem US-Einmarsch im Irak 2003 US-Soldaten bekämpft hatten.

Amerikanisches Blut an den Händen

Soleimani habe "amerikanisches Blut an seinen Händen" gehabt, twitterte der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham, ein Parteifreund Trumps, nach dem tödlichen Raketenangriff. Der Präsident habe "kühn" gehandelt.

Der republikanische US-Senator Marco Rubio rechtfertigte die Aktion als Selbstverteidigung. Der Iran und seine Stellvertreter seien von den USA gewarnt worden, schrieb Rubio am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter. Sie hätten diese Warnungen jedoch ignoriert, weil sie geglaubt hätten, US-Präsident Trump sei wegen innenpolitischer Streitereien nicht handlungsfähig. "Sie haben sich schwer verkalkuliert", twitterte der Republikaner weiter.

"Trump hat eine Dynamitstange in ein Pulverfass gesteckt"

Von den oppositionellen Demokraten kam dagegen umgehend scharfe Kritik. "Präsident Trump hat gerade eine Dynamitstange in ein Pulverfass gesteckt", sagte Ex-Vizepräsident und Präsidentschaftsbewerber Joe Biden. "Wir könnten vor einem großflächigen Konflikt im Nahen Osten stehen." Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders warnte: "Trumps gefährliche Eskalation bringt uns einem weiteren verheerenden Krieg im Nahen Osten näher."

Auch innenpolitisch ist das Vorgehen des US-Präsidenten hochriskant. Trump steht wegen der Ukraine-Affäre ein Prozess für eine Amtsenthebung bevor, der Druck ist hoch. Im November will er sich wiederwählen lassen. Eine Eskalation der Gewalt im Nahen Osten - und das Risiko in Särgen heimkehrender US-Soldaten - dürfte weder seiner Partei, noch seinen Wähler gefallen.

DPA
kng