Am 10. Oktober vor vier Jahren, beim zweiten TV-Duell, irritierte der Kandidat Trump für ein paar Augenblicke die Zuschauer mit einer eigenwilligen Pose: Als die Kandidatin Clinton das Wort hatte, baute er seine 1,91 Meter viel zu nahe hinter ihr auf und stand dann da. "Wie ein Poster aus einem Horror-Film von 1970", kommentierte ein Twitter-Nutzer diese Dominanzgeste damals. Geschadet hat es ihm nicht. Obwohl die meisten Experten ihn in keiner Debatte als Sieger sahen, zog er dennoch ins Weiße Haus ein. Nun steht das erste Fernsehduell 2020 an und damals wie heute ist Donald Trump der Underdog – nur mit dem Unterschied, dass er der Amtsinhaber ist. Was kein Vorteil sein muss.
Was passiert beim TV-Duell?
Wie in den USA seit Jahrzehnten üblich, debattieren die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien, also Republikaner und Demokraten, im Fernsehen. Alle vier Duelle (drei der Präsidentschaftskandidaten und eines der Vizekandidaten) werden von unterschiedlichen Sendern übertragen. Schon öfter haben die Auftritte Wahlen entschieden oder maßgeblich das Bild der Kandidaten beeinflusst: 1992 zum Beispiel blickte Präsident George Bush ungeduldig auf seine Uhr und verstärkte den Eindruck, er sei ein arroganter Reicher. Es gewann schließlich der Demokrat Bill Clinton.
Wer debattiert in diesem Jahr?
Der republikanische US-Präsident Donald Trump, 74 und sein Herausforderer von den Demokraten, Joe Biden, 77 Jahre alt.
Wann und wo findet das TV-Duell statt?
Ort der ersten TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden ist die Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio. Genauer der dortige Health-Education-Campus. Los geht's um 21 Uhr Ortszeit, also 3 Uhr deutscher Zeit. Den Anfang der Debattenreihe macht "Fox News". In Deutschland überträgt Phoenix ab 2.45 Uhr – mit deutscher Übersetzung. Die Diskussion wird 90 Minuten dauern.
Wer moderiert die Veranstaltung?
Fox News gilt zwar als Trump-freundlicher Sender, doch sein für den Abend vorgesehener Moderator Chris Wallace ist für seine Neutralität und Hartnäckigkeit bekannt. Erst im Juli hatte er den US-Präsidenten in einem Interview schlecht aussehen lassen, als er viele von Trumps Behauptungen als falsch oder übertrieben entlarvte. An diesem Abend soll Nachbohren nicht zu seinen Aufgaben gehören: Sein Ziel sei, so "unsichtbar wie möglich zu sein", sagte er über seine Rolle. Er wolle die Kandidaten dazu bringen, über die zentralen Themen zu diskutieren - "damit die Leute zuhause ein Gefühl dafür bekommen, warum sie für einen von ihnen stimmen wollen".
Was werden die Themen des Duells sein?
Eigentlich sollten sich die anderthalb Stunden um die Coronakrise, die Wirtschaft, die Sicherheit der Wahlen sowie um Polizeigewalt und Rassismus drehen. Doch die Enthüllungen der "New York Times" über Trumps Steuerzahlungen dürften dem TV-Duell eine neue Richtung geben. Das Blatt hatte berichtet, dass der US-Präsident gar keine oder nur sehr wenige Steuern zahlt – für seinen Kontrahenten Biden wird das ein gefundenes Fressen sein.
Worum geht es noch?
Sicher ist bereits: Beide werden sich nicht per Handschlag begrüßen. Auch die thematischen Positionen sind weitgehend festgesteckt und bekannt. Deshalb geht es eigentlich um das Auftreten der beiden Gegner. Vor allem weil beide alles andere als junge Männer sind, wollen viele Zuschauer sehen, wer von beiden körperlich und geistig fitter für das Amt erscheint. Obwohl Joe Biden bereits acht Jahre Erfahrung als US-Vizepräsident hat, wirkt er nicht immer auf der Höhe, weswegen er von Trump "Sleepy Joe", also "schläfriger Joe" genannt wird. Trump dagegen reagiert schnell patzig und unpräsidial, wenn er auf dem falschen Fuß erwischt wird.
Wie sieht die Ausgangslage aus?
In den landesweiten Umfragen liegt Joe Biden zum Teil deutlich vor Donald Trump – bis zu zehn Prozentpunkte. Der Amtsinhaber muss also langsam anfangen, Boden gutzumachen. Entscheidender aber werden die Ergebnisse in den so genannten Swing States sein, in Bundesstaaten, wo das Rennen knapp wird. In den meisten führt Biden zwar ebenfalls, aber oft nur hauchdünn. So in Florida, North Carolina und Arizona. Im US-Wahlsystem können knappe Siege in nur wenigen Bundesstaaten die gesamte Wahl entscheiden.
Was spricht für Donald Trump?
Auch wenn die Mehrheit der Amerikaner unzufrieden mit ihrem Präsidenten ist, kennen sie sowohl seine Fähigkeiten als auch seine Macken. Inhaltlich wird Trump ebenfalls niemanden überraschen. Gleichwohl wirkt er körperlich und geistig präsenter als sein Kontrahent, vor allem im direkten Aufeinandertreffen. Auch wird er aggressiver auftreten – das macht ihn vielleicht nicht sympathischer, aber lässt ihn für seine Funktion als Staatsoberhaupt geeigneter erscheinen.
Was spricht für Joe Biden?
Der 77-Jährige ist nicht erst seit seiner Zeit an der Seite von Barack Obama äußerst beliebt. Biden tritt bescheiden auf und wirkt wie der nette Onkel von nebenan. Anders als der Amtsinhaber bereitet er sich seit Tagen auf das TV-Duell vor, um auch inhaltlich die solideren Argumente bei den anstehenden Themen zu haben. Zudem ist seine versöhnliche Art dem Amt im Weißen Haus deutlich angemessener.
Wer also wird gewinnen?
Mutmaßlich Joe Biden. Inhaltlich - von Coronakrise bis zu Rassismus - ist er glaubwürdiger. Außerdem ist Trump wegen der neuen Steuerenthüllungen gerade in der Defensive. Allerdings sollte sich Biden nicht den für ihn typischen Aussetzer leisten oder sich auf einen "Nahkampf mit Trump" einlassen, vor dem er sich nach eigenen Worten fürchtet.
Wie geht es danach weiter?
Nach dem Treffen in Cleveland werden Trump und Biden noch zwei weitere Male vor TV-Kameras diskutieren: Am 15. Oktober in Miami und am 22. Oktober in Nashville (alle 3 Uhr deutscher Zeit). Dazwischen (7. Oktober) gibt es noch das TV-Duell zwischen den Vize-Kandidaten Mike Pence (Republikaner) und Kamala Harris (Demokraten). Endgültig gewählt wird dann am 3. November.
Quellen: DPA, AFP, NBC, "The Hill", "New York Times", Fox News, Real Clear Politics