US-Präsidenten und Staatsgeheimnisse Geheimdokumente: In den USA ist es leichter, sie aus Versehen mitzunehmen, als absichtlich im Büro zu lassen

Donald Trump und Joe Biden stehen in der Kritik, weil sie Staatsgeheimnisse mit nach Hause genommen haben. Vermutlich sind sie nicht die einzigen, denn in den USA hat sich die überbordende Klassifizierung zu einer Plage entwickelt.

In Washington lästern die Mitarbeiter von Regierungen und Bundesbehörden schon länger, dass es leichter ist, aus Versehen Geheimdokumente mit nach Hause zu nehmen, als sie absichtlich im Büro zu lassen. "Es gibt Beamte, die klemmen sich einen Stapel Papiere unter den Arm, in dem irgendwo ein Staatsgeheimnis dranhängt", schreibt David Rothkopf, ein früherer Staatssekretär im US-Innenministerium über das Phänomen "Überklassifizierung". Unter dem Schlagwort wird gerade der Umstand diskutiert, dass die "US-Regierung zu viele Geheimnisse hat", wie das Magazin "The Atlantic" schreibt.

Plötzlich 100 Millionen Klassifizierungsvorgänge

Seitdem bei Donald Trump in Mar-a-Lago und nun auch bei Joe Biden vertrauliche Staatsunterlagen in ihren Privaträumen gefunden wurden, fragen sich viele Amerikaner, wie vertrauenswürdig die Chefs im Weißen Haus eigentlich sind. Dabei scheint es weniger ein Nachlässigkeitsproblem zu sein, sondern die schiere Masse an sensiblen Daten. Laut der wenigen Angaben des US-Nationalarchivs, das unter anderem sämtliche Präsidentschaftskommunikation verwahrt, ist die Zahl der Klassifizierungsvorgänge allein zwischen 2008 und 2010 von 30 Millionen auf 100 Millionen emporgeschnellt. 

Grund war ein Erlass des damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Der wollte den Wildwuchs darüber, wer, wie, welche Dokumente unter welchen Umständen einstufen darf und muss, vereinheitlichen. Die Folge war, dass die Aktenschränke mit vertraulichen Unterlagen geradezu überflutet wurden. "Nun mögen Details vom Navy-Seal-Einsatz zur Beseitigung von Osama bin Laden zu Recht ein Staatsgeheimnis sein", merkt der "Atlantic" an. Warum das aber für einen Nachrichtendienstbericht über die Bedeutung von Hochzeiten in Dagestan gelten solle, wie er 2006 verfasst wurde, erschließe sich einem nicht.

Viele Geheimnisse, viele Fehler

Konkrete Zahlen über die Menge der klassifizierten Dokumente in den USA gibt es nicht für alle Bereiche. Ex-Staatssekretär Rothkopf schreibt, dass die "Geheimhaltung von Billionen von Seiten, Milliarden von Dollar kosten" würde. Das Nationalarchiv nennt in seinem Bericht eine Entsprechung von 1917 Vollzeitstellen, die 2021 alleine damit beschäftigt waren, geheime Dokumente zu deklassifizieren, also Unterlagen überhaupt erst wieder verfügbar zu machen. "Bei derartig vielen Geheimakten macht man schneller Fehler, außerdem wird es schwieriger wichtige Informationen zu finden oder sie mit Kollegen zu teilen", so Rothkopf.

Bizarr mutet auch der Aufwand an, mit dem die USA ihre sensiblen Daten zu schützen versuchen. Drei Einstufungen sind für Dokumente vorgesehen: streng geheim ("top secret"), geheim ("secret") und "vertraulich" ("confidential"). Letztere ist die niedrigste Kategorie, in der höchsten gibt es noch eine Reihe von Unterkategorien, die je nach Quelle oder Adressat noch geheimer als nur streng sein können. Zum Beispiel exklusive Erkenntnisse von Geheimdiensten, die nur für die oberste Regierungsebene vorgesehen sind. 

Drei Millionen Beamte mit Freigabe

Rein formal ist es der US-Präsident, der über die Einstufung von Dokumenten entscheidet. In der Praxis aber delegiert er die Aufgabe an seine Minister und die Chefs der Nachrichtendienste. Um die 1000 Beamte klassifizieren letztlich die entsprechenden Unterlagen. Die Zahl derjenigen, die die Freigabe hat, auf Geheimdokumente zuzugreifen, liegt aber deutlich höher. Offiziell dürfen rund drei Millionen US-Beamte eingestufte Unterlagen einsehen, knapp die Hälfte von ihnen sogar die der Kategorie "Streng Geheim". 

Angesichts dieser schieren Menge an Zugriffsberechtigten fallen die in Bidens Garage und Trumps Anwesen gefundenen Papiere kaum weiter auf.

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