USA und Folter Wie die Weltmacht ihre eigenen Werte verriet

Eigentlich wollte die US-Regierung mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente den Eindruck entkräften, Folterungen gebilligt zu haben. Jetzt haben die Memos neue Fragen zu ihrem Verständnis von Menschenrechten aufgeworfen.

Das schlechte Gewissen in Washington ist greifbar. US-Präsident George W. Bush quälte sich sichtlich, rang um Worte. "Folter gehört nicht zu unserer Seele", formulierte er ungelenk. Bush, der seine Vision von Freiheit und Menschenwürde weltweit propagiert, ihr mit der stärksten Armee der Weltgeschichte Nachdruck verleiht, musste beteuern, nie Folter angeordnet zu haben. Es war der bisherige Höhepunkt einer Diskussion über Folter, die die US-Gesellschaft aufwühlt.

Das Justizministerium versicherte in einem "völlig ungewöhnlichen Akt der Selbstverleugnung" - so die "Washington Post" - eine Neubewertung aller Ministeriumspapiere zum Thema Verhöre. Das Weiße Haus veröffentlichte 258 Seiten geheime Dokumente, um die Unschuld der Regierung - beispielsweise am Gefängnisskandal in Abu Ghreib - zu beweisen.

Zeitweise rechtsstaatliche Werte nicht beachtet

Doch die Papiere zeigen, dass Washington zumindest zeitweise rechtsstaatliche Werte nicht beachtet hat. Belegt werden aber auch die Anstrengungen von Bush und des US-Außenministeriums, den eigenen, demokratischen Maßstäben gerecht zu werden, ohne im Kampf gegen "barbarische Feinde unseres Landes" (Bush) wehrlos und als "Papiertiger" dazustehen. Denn die Angst vor einem zweiten Terror- Anschlag, der womöglich noch verheerender wäre als der vom 11. September 2001, ist groß.

Diese Terror-Angst dient der Regierung als Begründung, innenpolitisch bürgerliche Freiheiten einzuschränken und im "Krieg gegen den Terrorismus" Regeln auszusetzen. Besonders krasse Vorschläge, wie man mit mutmaßlichen Terroristen umgehen sollte, wurden angeblich nie umgesetzt: Beispielsweise sehr schmerzhafte Misshandlungen oder das Untertauchen von Gefangenen, bis sie fürchten, ertränkt zu werden.

Andere Methoden wurden angewandt. Hohe US-Militärs und die Geheimdienste hatten sich US-Medienberichten zufolge bitter über die Weigerung von Gefangenen beschwert, auszusagen. Neue Methoden seien notwendig, um Aufschluss über das Terrornetzwerk El Kaida und geplante Anschläge zu erhalten. Die wurden genehmigt. Angeblich sei auch die Festnahme Saddam Husseins auf "harte Verhörmethoden" zurückzuführen, berichtete der "Cristian Science Monitor".

Fragwürdige Genehmigung von "leichten Misshandlungen"

Gefangene in Abu Ghreib durften offiziell geschoren werden, was für gläubige Muslime besonders demütigend ist, konnten nackt verhört werden, mussten stundenlang in schmerzhaften Positionen verharren, wurden mit Hunden bedroht - die erschreckenden Bilder von Abu Ghreib haben eine auffällige Verwandtschaft mit den nüchternen Papieren des Pentagons. Besonders fragwürdig war auch die Genehmigung von "leichten, körperlichen Misshandlungen" - diese vage Formulierung lässt einen erheblichen Spielraum bei den Verhören.

US-Medien berichten, dass Verteidigungsminister Donald Rumsfeld auch wegen des Widerstands im Außenministerium im Januar 2003 einen Rückzieher machte. Bush hatte schon im Februar 2002 angeordnet, die Genfer Konvention zu beachten, human mit Gefangenen umzugehen. Rumsfeld erließ im April 2003 Regeln, denen zufolge einige härtere, aber legale Verhörmethoden wie Isolationshaft einer besonderen Genehmigung bedurften. Über 100 mutmaßliche Terroristen sind aber US- Medien zufolge an befreundete Staaten wie Marokko, Ägypten oder Jordanien überstellt worden. Angeblich wegen der Sprachprobleme - andere verweisen darauf, dass dort Folterverhöre keinem Tabu unterlägen.

Amerika hat sich seit 9/11 verändert

Bush darf in der US-Öffentlichkeit bei der Folterdebatte mit mehr Verständnis rechnen als bei den liberalen Medien des Landes. "New York Times" und "Washington Post" zeigten sich empört über den Verrat an den eigenen Werten, der nun "auch Diktatoren Rechtfertigung für Folter gibt" ("Washington Post"). Amerika insgesamt aber hat sich seit dem 11. September 2001 verändert. Seitdem wird diskutiert, mit welchen Methoden sich die USA wehren dürften. Hohe Beamte im US-Außenministerium verweisen darauf, dass es Folter-Überlegungen immer wieder auch in Europa - beispielsweise Deutschland in der Zeit der Bedrohung durch die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF) - gegeben habe.

AP · DPA
Laszlo Trankovits/AP