London ist ruhig. Vielleicht etwas zu ruhig für einen Freitagnachmittag. In den U-Bahnen gibt es freie Sitzplätze. Sonst drängen sich hier die Pendler wie Sardinen auf den Linien raus aus der Stadt. Sie sind an diesem Tag etwas früher gefahren. Der Bombenfund hat keine Panik verursacht. Es scheint nur, dass viele so früh wie möglich die Stadt verlassen haben.
London reagiert gelassen auf die neuen Bedrohungen. "Was sollen wir denn sonst machen?", fragt einer mit Aktentasche ungläubig. Das Leben geht einfach weiter. Irgendwie hat jeder geahnt, dass noch etwas passieren würde. "Und Gott sei Dank ist diesmal ja nichts passiert", sagt der junge Geschäftsmann noch und eilt weiter Richtung Bahnhof King's Cross.
Sprengstoff-Experten haben sich schon geäußert und die gefundene Vorrichtung in dem verdächtigen Auto in der Londoner Innenstadt "ein Werk von Amateuren" genannt. Entdeckt wurde der grün-metallic-farbene Mercedes, als er um 1:30 nachts auf der Strasse “The Haymarket” herumschlingerte und gegen Mülleimer stieß, direkt vor dem Nachtclub "Tiger, Tiger". Der Fahrer des Wagens flüchtete zu Fuß, er wurde noch von Passanten beobachtet, aber nicht verfolgt. Die Polizei sichtet im Moment hunderte Videobänder, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den Täter und seine Autofahrt zum Haymarket aufgezeichnet haben.
Propangasflaschen, Benzinkanister, Nägel
Die Türsteher des Clubs "Tiger Tiger" schauten sich das Auto genauer an, nachdem es in die Mülleimer gefahren war, und sahen seltsame Dinge darin: Propangasflaschen, Benzinkanister, Nägel. Angeblich soll auch die Besatzung eines Krankenwagens, die in der Nähe einen Passanten versorgte, Rauch aus dem Auto austreten gesehen und die Polizei verständigt haben.
Die riegelten sofort die Straßen in der Innenstadt um Piccadilly Circus ab. Die Zeitungen spekulieren nun, dass der Attentäter womöglich die Club-Besucher des "Tiger Tiger" treffen wollte. Der Club schließt um zwei Uhr nachts, am Donnerstag ist immer "Ladies Night", und die war diesmal gut besucht in der mehrstöckigen Disco. Erst vor einigen Wochen ist eine Gruppe in Großbritannien zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, die den Nachtclub "Ministry of Sound" in die Luft sprengen wollte. Sie wollten die "Flittchen" darin beseitigen, so ihre Begründung in Bekennerbriefen zu den nie durchgeführten Anschlägen. Welchen Hintergrund dieser neue versuchte Anschlag nun hat, kann die Polizei noch nicht sagen.
Auch in einem zweiten Auto wurde am Abend Sprengstoff gefunden worden, wie die Sender Sky News und BBC berichten. Das Fahrzeug war an der Park Lane am Hyde Park untersucht worden. Es seien ähnliche Substanzen wie in dem ersten Auto gefunden worden, hieß es. Die Polizei bestätigte den Fund.
Die U-Bahnen fahren schon wieder regelmäßig
Genauer darüber nachdenken will niemand in London. Die Menschen sind froh, dass die Experten die Bombe entschärfen konnten. "Aber warum haben sie trotz der ganzen Sicherheitsmaßnahmen von dem Plan nichts gewusst?", fragt ein Schaulustiger an der Absperrung. Laut Angaben von Scotland Yard beobachtet die Terrorismuseinheit zurzeit mehrere tausend potenziell gewalttätige Extremisten in Großbritannien.
Vor den Absperrungen am Haymarket tummeln sich am Freitagnachmittag die Touristen. Sie zücken die Kameras, um die leere Straße mitten in der Londoner Innenstadt zu fotografieren. Zu sehen ist nichts mehr. Der Großteil der Passanten eilt an den Absperrungen einfach vorbei. Die U-Bahnen fahren schon seit heute morgen wieder regelmäßig, es sind öfter Bahnpolizisten mit ihren neongelben Jacken auf den Bahnsteigen zu sehen. Und Hubschrauber kreisen über der Innenstadt. In den Nachrichten hören die Besucher des Tennis-Turniers in Wimbledon seit Stunden, dass sie früher anreisen müssen, weil die Kontrollen an den Eingängen verstärkt worden seien.
Sonst ist nichts zu spüren von einer neuen Bedrohung, die ja tatsächlich eine alte ist. In einer Woche jährt sich der Tag der Anschläge vom 7. Juli zum zweiten Mal.
"Wenn ich ganz ehrlich bin, dann regt mich der Streik der Post heute mehr auf als die Bombe", sagt ein junger Fotograf im Londoner Stadtteil Soho, der nur wenige hunderte Meter entfernt von dem neuen Bombenfund in einem Café sitzt. "Ich fahre weiter Bus und Bahn. Wir sind hier doch alle Londoner, wir sind Probleme gewöhnt."