Wasser ist lebenswichtig. Ohne Nahrung können Menschen zur Not längere Zeit auskommen - ohne Wasser sterben sie nach wenigen Tagen. In Irak ist das kostbare Nass, das bei uns wie selbstverständlich aus dem Hahn fließt, jedoch Mangelware. Hilfsorganisationen zufolge ist in einigen Teilen des Landes nicht einmal die Grundversorgung mit sauberem Wasser gewährleistet - mit drastischen Folgen: Die Kindersterblichkeit in Irak verzeichnet seit zwölf Jahren die weltweit höchste Steigerungsrate.
Schon vor Beginn des Krieges war die einst gut funktionierende Wasserversorgung wegen des Embargos und der Kriegsschäden des zweiten Golfkriegs massiv beeinträchtigt, wie Thomas Schneider von der Ruhr-Universität Bochum berichtet. "Inoffiziellen Schätzungen zufolge haben weniger als 20 Prozent der Bevölkerung sicheren und regelmäßigen Zugang zu Trinkwasser."
Gesamte Wasserversorgung droht der zusammenzubrechen
UN-Angaben zufolge erkranken irakische Kinder, von denen viele mangelernährt sind, pro Jahr rund 14 Mal an Durchfall. Und der Krieg wird die Situation nach Überzeugung von Experten schon nach wenigen Tagen drastisch verschlimmern.
Laut Genfer Konvention ist zwar verboten, bei einem Angriff für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte zu zerstören, zu denen auch Trinkwasserversorgungs- und Bewässerungsanlagen gehören. Doch auch das Bombardement so genannter "militärischer Ziele", wie Kraftwerke, Umspannwerke und Treibstofflager, kann für die Wasserversorgung dramatische Konsequenzen haben.
Nur wenige haben Zugang zu Brunnen
Sollte die Infrastruktur, wie von Hilfsorganisationen befürchtet, massiv bombardiert werden, wären sowohl die Energieversorgung als auch eine mögliche Notstromversorgung schnell erschöpft, ist sich Schneider sicher. Ohne Strom werden Wasserpumpen und Aufbereitungsanlagen aufhören zu arbeiten, sobald den Notgeneratoren das Benzin ausgegangen ist. Nach "maximal einer Woche würde die gesamte Wasserversorgung am Boden liegen", betont Schneider.
Da in Irak mehr als 90 Prozent des Nutz- und Trinkwassers aus den Flüssen stammt, deren Wasser aufwendig von Grobstoffen und Verschmutzungen gereinigt werden muss, ist Strom für die Wasserversorgung von grundlegender Bedeutung. Und auch für den Transport des Wassers sei Elektrizität nötig, betont der Bauingenieur vom Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft an der Universität Bochum. Die meisten irakischen Stadtbewohner bekommen ihr Wasser aus dem Hahn.
"Zugang zu Brunnen hat nur ein Bruchteil der Bevölkerung", berichtet Schneider. Handpumpen sind Mangelware. Da das Land von 1999 bis 2002 eine der schlimmsten Dürren seit Jahren erlebte, sank der Wasserstand der Flüsse Schätzungen zufolge zwischenzeitlich auf rund 40 Prozent des Normalniveaus, was die Wasserqualität noch zusätzlich verschlechterte.
Abwässer fließen ungeklärt ab
Bei der Abwasserentsorgung sieht es nach den Worten Schneiders "nicht viel besser aus": Von den 13 Kläranlagen in der Mitte und im Süden Iraks sind Care zufolge bis auf eine alle zusammengebrochen - mit der Folge, dass täglich rund 500.000 Tonnen Abwässer ungeklärt abfließen und das Grundwasser verschmutzen.
In den ländlichen Gebieten, wo die Abwässer in Klärtanks gesammelt werden, laufen die Behälter über, da sie nicht regelmäßig geleert werden können. Und selbst in den Städten, wo die Situation vor Kriegsbeginn noch am besten war, sind Schneider zufolge nur noch 30 bis 40 Prozent der Abwasserentsorgung sicher. Sollte das System ganz zusammenbrechen, drohen Seuchen wie Ruhr und Cholera.
Auch für die Landwirtschaft spielt künstliche Bewässerung eine große Rolle. Allein 63,6 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche müssen Schätzungen zufolge künstlich bewässert werden. Wegen einer lang anhaltenden Dürre war die Getreideernte nach UN-Angaben bereits von 2,5 auf 1,3 Millionen Tonnen zurückgegangen. Auch die Reisernte ging um 50 Prozent zurück.
Um die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, haben Hilfsorganisationen Wasserreservoirs angelegt, Brunnen gebohrt, Handpumpen verteilt und Vorkehrungen zur Wasserdesinfektion getroffen. Die Hilfsorganisation Care ist so in der Lage, den Menschen täglich bis zu 500.000 Liter Wasser zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn man den Wasserkonsum eines Slums im südlichen Afrika zu Grunde legt, kann die Organisation jedoch maximal 25.000 Menschen versorgen. UN-Schätzungen zufolge werden jedoch rund 2,5 Millionen Menschen Wasser benötigen.