Die Brüder waren außer Kontrolle. Seit Jahren terrorisierten sie ihre Nachbarschaft mit Steinwürfen, Angriffen und Beleidigungen. Sie wurden gesehen, wie sie in Mülltonnen nach Essen fischten. Sie sahen mit ihren verdreckten Gesichtern und Händen aus, als würden sie niemals ein Bad nehmen. 40 Mal waren sie aus verschiedenen Schulen geflogen, den kleineren wollte schon die Grundschule nicht mehr unterrichten. Doch trotz all dieser Warnzeichen wurde die Gefahr der beiden Brüder erst von den Behörden wahrgenommen, als sie beinahe zwei Kinder ermordeten.
Sie waren an diesem Samstag, dem 4. April, auf dem Weg zum Kleingarten ihres Vaters und hätten eigentlich zu einem Verhör auf der Polizeistation des Ortes Edlington erscheinen sollen. Sie hatten wenige Tage zuvor einen elfjährigen Jungen verprügelt und ihn mit dem Tod bedroht. Einer von den beiden Brüdern hatte dabei einen Ziegelstein in der Hand gehalten und gesagt: "Du wirst sterben". Doch ein Spaziergänger sah, wie die Brüder auf ihr Opfer einschlugen und schritt ein. Die Polizei lud sie vor, sonst geschah nichts.
Mit Zigaretten Ohren und Augenlider verbrannt
Beim nächsten Mal gingen sie vorsichtiger vor. Sie lockten ihre Opfer, zwei Freunde, neun und elf Jahre alt, durch Gebüsch und Gestrüpp über einen kleinen Fluss zu einem Teich. Versteckt hinter Hügeln und Grünzeug begann eine Orgie von Gewalt, deren Aufzählung gestandene Gerichtsreporter die Tränen in die Augen trieb, als die Staatsanwaltschaft die Taten in einer ersten Anhörung nach der Verhaftung der Brüder vor Gericht aufzählte.
Die Brüder verbrannten ihren Opfern mit Zigaretten Ohren und Augenlider. Sie stießen einen abgebrochenen Zweig bis auf den Knochen in den Arm des jüngeren Kindes und verbrannten die Wunde anschließend mit Zigarettenglut. Sie trampelten auf Gesicht und Unterleib der Jungen und rissen ihnen die Hosen herunter. Sie zwangen die beiden zu sexuellen Handlungen, sie mussten sich gegenseitig in den Mund urinieren. Dann würgten sie den Älteren mit Stacheldraht und befahlen dem Jüngeren: "Bring dich selbst um!" Der stieß sich in seiner Verzweiflung einen abgebrochenen Zweig tief in den Hals. Dann rannte er, stolpernd und taumelnd, um sein Leben.
"Lasst mich liegen, ich sterbe"
Sein älterer Freund lag da schon auf dem Boden und flehte, dass sie es zu Ende bringen sollten: "Lasst mich liegen, ich sterbe, ich sehe nichts mehr." Die Brüder warfen ihm ein ausrangiertes Waschbecken auf den Hinterkopf und verschwanden. Gerettet wurde der Junge, weil sein Freund blutüberströmt in einer naheliegenden Straße Hilfe geholt hatte. Die herbeigerufenen Sanitäter brauchten eine Stunde, um den Kreislauf des Bewusstlosen so zu stabilisieren, dass er transportfähig war.
Nun, sechs Monate nach der Tat, hat der Gerichtsprozess gegen die Brüder begonnen, die nach englischem Recht im Alter von zehn und zwölf Jahren voll strafmündig sind. Richter und Staatsanwaltschaft zeigten sich in Anzügen und ohne die üblichen Perücken und Roben, um die Kinder nicht unnötig zu verunsichern. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollten vor allem den Opfern die Zeugenaussagen vor Gericht ersparen. So einigten sich die Anwälte auf sechs Anklagepunkte von schwerer Körperverletzung bis sexueller Nötigung, in denen sich die Brüder schuldig bekannten.
Mit zehn und zwölf voll strafmündig
Nach englischem Recht wurde damit die Anhörung vor einer Jury unnötig. Der Richter wird in einer weiteren Sitzung das Strafmaß verkünden, dass in diesem Fall bis zur Maximalstrafe der lebenslangen Haft reichen kann. Vor Gericht wird also nicht geklärt werden, wie es überhaupt zu diesem Gewaltausbruch kommen konnte. Es sind die Polizeireporter der großen Tageszeitungen, die einige Hintergründe der Familie der Angeklagten ausgegraben haben: Die Mutter soll die Brüder wie auch ihre fünf Geschwister regelmäßig mit Kuchen ruhig gestellt haben, der mit Cannabis versetzt war. Der Vater, ein gewalttätiger Alkoholiker, soll seine sieben Kinder gezwungen haben, Horrorfilme zu sehen. Die meisten waren da nicht älter als sechs Jahre alt. Die Geschwister wurden ebenfalls gezwungen, sich zur Belustigung der Erwachsenen gegenseitig zu verprügeln.
In all dem Chaos gab es immer wieder Hilferufe an die Behörden der Stadt Doncaster. Die Mutter soll mehrfach darum gebeten haben, ihr die Kinder abzunehmen, sie komme mit ihnen nicht mehr zurecht. Doch Sozialarbeiter in Doncaster waren nicht nur mit diesem Fall überfordert. Sieben Kinder, die meisten jünger als zwei Jahre, starben in den vergangenen Jahren in der Stadt, obwohl sie eigentlich unter der Obhut der Behörde standen. Die war chronisch unterbesetzt und völlig überfordert. In diesem Sommer setzte das Familienministerium zwangsweise einen neuen Behördenleiter ein, der eine interne Untersuchung in Auftrag gab.
"Sie wollten ein bisschen Liebe"
Da waren die Brüder jedoch schon längst zu Tätern geworden. Nach englischem Recht darf kein Minderjähriger namentlich genannt werden, um die Identität der Beteiligten zu schützen. Die Opfer sind inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden und sollen auch das Trauma des Überfalls bisher gut verarbeitet haben. Die Täter werden in eine der wenigen Hochsicherheitsanstalten des Landes verbracht, in der auch die minderjährigen Mörder von Jamie Bulger bis zu ihrer Entlassung 2001 gelebt haben. Dort werden sich wohl das erste Mal in ihrem Leben gleich mehrere Erwachsene um sie kümmern.
Ein Nachbar des Brüderpaars, der seit Jahren beobachtete, wie sie immer gewalttätiger wurden, sagte in einem Interview: "Sie wollten ein bisschen Liebe von ihren Eltern, aber die gab es nie. Wenn sie Ärger machten, konnten sie sich wenigstens der Aufmerksamkeit der Erwachsenen sicher sein."